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Mathew Schwartz, CC BY 3.0 , via Wikimedia Commons

Widerstand gegen zunehmende Autokratisierung

Gegenwärtig befindet sich die Welt in einer sogenannten dritten Autokratisierungswelle, die alle Regionen umfasst und das globale Demokratieniveau auf das von 1985 zurücksetzt. Diese Ergebnisse bestätigen Demokratieindizes wie der BTI, Freedom House oder V-Dem. Hauptakteure der Entwicklung sind exekutive Amtsinhaber:innen, die demokratische Kontrollmechanismen schrittweise einschränken oder abschaffen und somit die politische Macht auf eine Person konzentrieren. Damit einhergehend sind oftmals Beschränkungen der Versammlungsfreiheit und eine Zensur der Medienlandschaft. Prominente Beispiele sind die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdoğan, Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orbán oder Brasilien unter Präsident Jair Bolsonaro.

Episoden der Autokratisierung können allerdings gestoppt und rückgängig gemacht werden. Politikwissenschaftler:innen sprechen von demokratischer Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit eines demokratischen Systems, seiner Institutionen und der Zivilgesellschaft. Dieser Blogbeitrag möchte den Fokus auf drei Beispiele legen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu verdeutlichen, wie Episoden der Autokratisierung gestoppt werden können.

Ein instabiles demokratisches Zeitalter in Nepal

In Nepal ging aus den nationalen Wahlen im Jahr 2017 eine neue Regierung hervor, die sich aus zwei ehemals konkurrierenden kommunistischen Parteien zusammensetze. Ein inoffizielles Abkommen zwischen den beiden Parteiführern, das einen Wechsel im Amt des Premierministers nach der Hälfte der Amtszeit vorsah, beabsichtigte interne Konflikte um Macht beizulegen. Der damalige Regierungschef Khadga Prasad Oli hielt sich jedoch nicht an die Abmachung und versuchte, seine Macht zu festigen. Dies verursachte eine Spaltung innerhalb der Regierung zwischen den Befürworter:innen Olis und dessen Gegner:innen. Im Jahr 2021 kulminierten diese Konflikte schließlich in einer Verfassungskrise, da Oli das Parlament zweimal auflöste und Neuwahlen ansetzte.

Die Opposition und die Zivilgesellschaft befürchteten eine weitere Festigung von Olis Macht und sahen die nepalesische Demokratie in Gefahr. Infolgedessen kam es im ganzen Land zu Demonstrationen für die Wiedereinsetzung des Parlaments. Maßgeblich daran beteiligt waren die größte Oppositionspartei, der Nepali Congress, aber auch Teile der Regierungspartei, die sich von Oli abgespalten hatten, sowie verschiedene zivilgesellschaftliche Gruppen. Daraus resultierte unter anderem ein landesweiter Generalstreik. Im Gegensatz zu früheren Protesten entschieden sich die Sicherheitskräfte für eine zurückhaltende Vorgehensweise. Der öffentliche Druck auf Oli verschärfte sich daraufhin und mehrere Parteien reichten Beschwerden beim obersten Verfassungsgericht ein, da sie in Olis Handlungen einen Verfassungsbruch sahen. Die Instanz nahm sich schließlich der Krise an und setzte das Parlament mit einem neuen Premierminister wieder ein.

Diese Entscheidung erwies sich als wegweisend für die Demokratie Nepals, in dem sie die Unabhängigkeit der Justiz stärkte und sich klar auf die Seite der demokratischen Verfassung stellte. Der öffentliche Druck spielte dabei eine entscheidende Rolle, denn er verdeutlichte, dass die Bevölkerung sich nicht einer möglichen autoritären Entwicklung unterwerfen würde und für demokratische Prinzipien einstand.

Verteidigung der Demokratie in Sambia

Nach dem Tod des Präsidenten Michael Satas im Jahr 2015 fanden in Sambia Neuwahlen statt, um einen Nachfolger für den verbleibenden Teil der Amtszeit Satas zu bestimmen. Diese und auch die anschließende Wahl im Jahr 2016 gewann Edgar Lungu von der Patriotischen Front. Die folgenden Jahre waren von einer zunehmend autoritären Regierungsführung geprägt, die den Raum für politische Teilhabe deutlich einschränkte und die Unabhängigkeit der Justiz verletzte.

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2021 kam es zu großen Kontroversen, da die Verfassung Sambias nur eine Wiederwahl des Präsidenten vorsieht. Nach Ansicht der Opposition kandidierte Lungu jedoch zum dritten Mal. Dem widersprach das oberste Verfassungsgericht, nachdem es von Lungu erheblich unter Druck gesetzt wurde. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung wuchs, auch weil das Land ökonomisch in Schieflage geraten war und seinen Staatsbankrott eingestehen musste. Die Präsidentschaftswahlen entwickelten sich somit zu einer Protestwahl, die der Oppositionsführer Hakainde Hichilema für sich entscheiden konnte.

Entscheidend für diesen Sieg war maßgeblich eine integrative Strategie Hichilemas und seiner Partei, die die ethnische Vielfalt des Landes berücksichtigte. Durch maßgeschneiderte Ansprachen erreichte er verschiedene Bevölkerungsgruppen: Er betonte seinen persönlichen wirtschaftlichen Erfolg, um die Mittelschicht anzusprechen, inszenierte sich bei ärmeren Wähler:innen als einer von ihnen und nutzte Social Media, um junge Menschen zu mobilisieren. So gelang es Hichilema, die Wähler:innen zu überzeugen, ihre Unzufriedenheit an der Wahlurne Ausdruck zu verleihen.

Trotz eines deutlichen Wahlsieges, der durch eine parallele Stimmenauswertung der Zivilgesellschaft bestätigt wurde, wollte Lungu das Ergebnis zunächst nicht akzeptieren. Erst eine internationale Vermittlung konnte ihn schließlich dazu bringen, die Macht an Hichilema zu übergeben. Die Wahlbeteiligung, die bei über 70% lag, signalisierte, dass die Bevölkerung keine weitere Autokratisierung zulassen würde. Eine funktionierende Opposition mit einer effektiven Kampagne konnte somit eine tragfähige Alternative zur politischen Regression bieten.

Angriff auf liberale Demokratie in Südkorea

Die konsolidierte und liberale Demokratie in Südkorea durchlief zwischen 2008 und 2017 eine Periode vergleichsweise leichter Autokratisierung. Nach einer längeren Phase demokratischer Reformen und progressiver Politik schränkte die erste konservative Regierung des Landes im Jahr 2008 die Presse- und Meinungsfreiheit ein. So offenbarte ein Skandal im Jahr 2010 die Überwachung von regierungskritischen Bürger:innen durch den Geheimdienst. Dennoch konnte diese Enthüllung die Wahl von Präsidentin Park Geun-hye, Tochter des ehemaligen autokratischen Staatspräsidenten Park Chung-hee, im Jahr 2012 nicht verhindern. Sie bildete erneut eine konservative Regierung, die den Kurs ihres Vorgängers fortsetzte.

Später stellte sich heraus, dass der Geheimdienst versucht hatte, den Ausgang der Präsidentschaftswahlen zu manipulieren. Dies geschah durch das Verfassen von Online-Beiträgen, die die Regierungspolitik lobten und Oppositionspolitiker:innen diskreditierten. Auch eine sogenannte Blacklist der Regierung sorgte für Schlagzeilen, welche die Förderung von regierungskritischen Künstler:innen verhindern sollte. Schließlich führte die Verwicklung der Präsidentin in mehrere Korruptionsfälle zu massiven Straßenprotesten mit Millionenbeteiligung. Über mehrere Monate hinweg hielten die Proteste an, koordiniert von verschiedenen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Angetrieben wurde der Protest von einem kollektiven Gefühl der persönlichen Enttäuschung, aber auch der Verlegenheit und des Schams.

Zunächst zeigte sich die politische Opposition zurückhaltend und schloss sich den Protesten erst an, als klar war, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung einen Rücktritt Parks forderte. Angesichts des steigenden öffentlichen Drucks leitete das Parlament ein Amtsenthebungsverfahren ein, das zur Absetzung von Park führte. Dieses Verfahren wurde anschließend vom obersten Verfassungsgericht einstimmig bestätigt. Park wurde daraufhin wegen Korruption, Amtsmissbrauch und anderen Vergehen zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Obwohl Park mittlerweile begnadigt wurde, illustriert dieses Fallbeispiel auf der einen Seite die zivilgesellschaftliche Entschlossenheit für demokratische Prinzipien einzustehen, und zugleich die die Funktionsfähigkeit der konsolidierten Institutionen des Landes, auch in turbulenten Zeiten Amtsverstöße zu ahnden und auf Missstände zu reagieren.

Massenmobilisierung als Erfolgsrezept für demokratische Resilienz

Die skizzierten Fallbeispiele veranschaulichen die essenzielle Bedeutung von Massenmobilisierungen für die Erhaltung und Stärkung demokratischer Strukturen. Eine breite und vielschichtige Teilnahme an Protesten und Wahlen setzt verstärkten Druck auf institutionelle Akteure wie Justiz, Parlament und Opposition, um autokratischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten.

In Nepal beispielsweise führte die Massenmobilisierung dazu, dass verschiedene politische Parteien Maßnahmen gegen Premierminister Oli ergriffen und Beschwerden beim Verfassungsgericht einreichten, welches daraufhin im Einklang mit der Verfassung handelte.  Ähnlich verhielt es sich in Sambia, wo die Mobilisierung der Wählerschaft zu einem bedeutsamen Machtwechsel führte, nachdem eine oppositionelle Partei sich als die entscheidende Stimme des Protests positionierte. In Südkorea zwang der anhaltende Millionenprotest die politische Opposition dazu, im Parlament ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin einzuleiten, das durch das oberste Verfassungsgericht bestätigt wurde.

Eine entscheidende Komponente für den Erfolg dieser Massenmobilisierungen war die Bereitschaft von Akteuren innerhalb funktionierender demokratischer Institutionen, den Protest in konkrete politische Maßnahmen umzusetzen. Länderspezifische Faktoren wie die überraschende Zurückhaltung der Sicherheitskräfte in Nepal, das Ausmaß des Wirtschaftsversagens im überschuldeten Sambia oder die Empörung der Zivilgesellschaft über die Verstrickungen ihrer Präsidentin in mehrere Korruptionsfälle in Südkorea trugen zu dieser demokratischen Resilienz bei.

Trotz der unterschiedlichen Kontexte verdeutlicht die Gegenüberstellung der drei Fallbeispiele, dass Episoden der Autokratisierung erfolgreich bekämpft werden können, wenn mobilisierte Zivilgesellschaften mit demokratischen Akteuren zusammenarbeiten. Diese Erkenntnis gibt Hoffnung in Anbetracht der aktuellen Herausforderungen, mit denen sich die liberale Welt konfrontiert sieht.

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