Westafrikas Kampf gegen COVID-19: Regionale Unterschiede in der Bewältigung der Pandemie
Mit welcher Wirksamkeit die Regierungen in Westafrika ihre Politik durchsetzen können, variiert. Genauso unterschiedlich fällt auch die Bilanz der Region im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus aus. Es gibt deutliche Anzeichen, dass eine gute Regierungsführung die Fähigkeit eines Landes, mit der Pandemie und ihren Folgen fertigzuwerden, stärken kann.
Allen Erwartungen zum Trotz sind die Worst-Case-Szenarien von COVID-19 in den westafrikanischen Ländern mit ihren schwachen Gesundheitssystemen bislang nicht eingetreten. Durch die Pandemie stehen die Länder der Region alle vor ähnlichen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen, haben jedoch verschieden darauf reagiert.
Regierungen, die ihre Wirtschaftsgüter effizient nutzen, politische Strategien entwickeln und die Korruption bekämpfen, gelingt es in normalen Zeiten natürlich besser, ihre Nationen zu steuern. Doch wie wirken sich solche Merkmale auf die Chance aus, mit einer so herausragende Krise wie der aktuellen Pandemie fertigzuwerden?
Gute Regierungsführung
Der Transformation Index der Bertelsmann Stiftung (BTI) bewertet die Regierungsführung (Governance) in 137 Entwicklungs- und Schwellenländern. Erfolgreich, im Sinne der Studie, ist sie dann, wenn eine Regierung Ziele konsequent verfolgt, Ressourcen klug und effektiv einsetzt und bereit und in der Lage ist, alle relevanten Interessengruppen in politische Entscheidungen einzubeziehen. Von den westafrikanischen Ländern führen Senegal und Ghana mit „guten“ Governance-Bewertungen und den Plätzen 12 und 18 das Ranking an. Senegal zeichnet sich besonders aus durch seine Steuerungsfähigkeit und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit regionalen und internationalen Institutionen und Akteuren, während Ghana die am weitesten fortgeschrittene politische und wirtschaftliche Transformation in der Region aufweist. Am anderen Ende des Rankings rangieren Nigeria und Mauretanien auf den Plätzen 96 und 98 und bilden mit nur „schwachen“ Governance-Bewertungen die schlechtesten Länder der Region.
Ein Blick auf die Region zeigt, dass Senegal und Ghana bisher überzeugender auf Covid-19 reagiert haben als Länder mit schwachen Regierungen wie Nigeria und Mauretanien. Die US-amerikanischen Zeitschrift Foreign Policy (FP) führt Senegal und Ghana in ihrem internationalen Ranking der Ländern mit den besten Covid-19-Reaktionen weit oben. Sie erhielten hohe Punktzahlen für ihre Richtlinien zum Gesundheitsschutz und beste Werte für die Sicherstellung einer faktenbasierten Kommunikation.
Der ghanaische Präsident Nana Akufo-Addo liefert den Beleg für eine starke Kommunikationsstrategie bei der Bekämpfung der Pandemie: Insgesamt 21 Fernsehansprachen hat er seit dem ersten bestätigten Fall gehalten, in denen er verständlich über das Virus, die Maßnahmen der Regierung und die Verantwortung der Bürger informierte. Im Vergleich dazu hat sich der nigerianische Präsident Muhammadu Buhari bisher nur dreimal an die Nigerianer gewandt. Dieses oberflächliche Vorgehen steht wiederum im Kontrast zur senegalesischen Strategie, die auf viele Kanäle setzt, um die Öffentlichkeit über die Entwicklung der Epidemie auf dem Laufenden zu halten, unter anderem auf die Medien, Religionsgemeinschaften und Dorf- und Gemeindevorsteher.
Frühzeitiges umfassendes Testen und Kontaktverfolgung
Mit zügig ergriffenen Maßnahmen glich Senegal Schwächen im Gesundheitssektor aus: Unmittelbar nach dem Bekanntwerden der ersten Fälle wurden ab März mobile Testeinrichtungen aufgebaut und ein Kontaktverfolgungssystem eingerichtet. Schon im April war das Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten Pflicht. Senegal hatte in den Jahren 2013 bis 2016 unter dem Ausbruch der Ebola-Krise besonders stark gelitten und seine Lehren daraus gezogen.
Bekanntlich erleichtert das ausgiebige Testen, Covid-19-Fälle frühzeitig zu diagnostizieren und damit die Ausbreitung des Virus einzudämmen und Leben zu retten. In allen vier Ländern ist das Ausmaß des Testens noch unzureichend, doch Nigeria liegt besonders weit hinter den anderen zurück. Laut der Internetplattform Our World in Data, einem in Großbritannien ansässigen Projekt, testet Nigeria pro 1.000 Einwohner nur 6,2 Personen, während es in Senegal 19,5, in Ghana 24,0 und in Mauretanien 39,5 sind (Stand: 20.03.2020).
Korruption und Transparenz
Zu Korruption, einem wichtigen Gradmesser für die Qualität der Regierungsführung, kam es bei der Verteilung von Covid-19-Hilfen besonders in Nigeria und Mauretanien. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von Freedom House, einer unabhängigen Organisation zum Schutz der Demokratie, stellt fest, dass in Mauretanien „Minister der Regierungspartei COVID-Mittel als Spenden des Premierministers ausgaben.“ Einige Nigerianer stürmten im Oktober Regierungslager und die Häuser mehrerer Politiker der Regierungspartei, um Lebensmittel zu plündern, die als Covid-19-Hilfe verteilt werden sollten, aber angeblich gehortet wurden. Ein Abgeordneter, dessen Haus von den Plünderern durchsucht wurde, behauptete, er habe vorgehabt, die Hilfsgüter an seinem Geburtstag zu verteilen. Korruption in einem Bereich führt allgemein zu Misstrauen und macht es der Bevölkerung schwer, den Botschaften und Maßnahmen der Regierung in einem anderen Bereich noch zu vertrauen.
Festhalten an unbeliebten Maßnahmen
Einschränkungen wie das Tragen von Masken und das Abstandhalten sind notwendig, um das Virus zu besiegen und Leben zu retten, behindern die Bevölkerung jedoch im Alltag. Proteste gegen Einschränkungen haben einige Regierungen gezwungen, ihren Kurs zu ändern. Ghana erließ im vergangenen Juni die Pflicht zum Tragen von Gesichtsmasken in der Öffentlichkeit. Die Bürger hielten sich zunächst daran, wurden dann aber trotz einer zweiten Corona-Welle nachlässig. Die ghanaische Regierung wollte das nicht stillschweigend hinnehmen, griff durch und nahm Verhaftungen vor. Der Senegal dagegen reagierte mit der Lockerung einiger Beschränkungen auf Unruhen, die im Juni ausgebrochen waren, dennoch setzte das Health Emergency Operations Center seine Politik der Bewusstseinsbildung und der Transparenz und Offenheit in der Kommunikation mit der Öffentlichkeit unvermindert fort.
In Nigeria hingegen adressierten die Gouverneure der Bundesstaaten bereits im April 2020 einen Brief an Präsident Buhari und baten um ihn den Erlass einer Maskenpflicht. Einige von ihnen hatten bereits auf lokaler Ebene damit begonnen, das Maskentragen durchzusetzen, doch sie versprachen sich von einem landesweiten Erlass ein „einheitliches und koordiniertes Vorgehen“. Die Zentralregierung gab dieser Forderung erst neun Monate später im Januar 2021 nach, als der Präsident schließlich eine solche Verordnung unterzeichnete.
Gute Regierungsführung bietet bessere Chancen zur Eindämmung der Pandemie
Diese Punkte allein sind noch kein schlüssiger Beweis für einen positiven Zusammenhang zwischen guter Regierungsführung und guten Covid-19-Maßnahmen. Dafür ist die Stichprobe von nur vier Ländern zu klein. Die Pandemie läuft unvermindert weiter und bringt immer neue Variablen an den Start, so dass eine heute noch leistungsstarke Regierung plötzlich ins Straucheln geraten kann und andersherum.
Dennoch scheint es einen Zusammenhang zwischen guter Regierungsführung und effektiven Maßnahmen zu geben. Ghana und Senegal haben die Pandemie bislang erfolgreicher bewältigt als Mauretanien und Nigeria. Das zeigt, wie wichtig eine gute Regierungsführung ist. Sie kann den Unterschied ausmachen, ob es zu Hunderten von weiteren Todesfällen kommt oder zu Tausenden, ob Hilfsmittel die vorgesehenen Empfänger erreichen oder irgendwo gehortet werden, ob die Wirtschaft sich im freien Fall befindet oder sich ein Aufschwung ankündigt. Mehr als je zuvor müssen sich die Bürger dieser Länder zum Wohle aller für eine gute Regierungsführung einsetzen, eine Regierung wählen, die diese gewährleistet, und die entsprechenden Institutionen dafür aufbauen.
Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt