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BioNTech in Ruanda: Ein Schritt in Richtung Impfstoffgerechtigkeit für Afrika

Anfang Herbst 2021 gab Ruanda bekannt, Standort für eine Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe des deutschen Start-ups BioNTech zu werden. Der Bau soll spätestens Mitte 2022 beginnen. Werden sich damit die schwachen COVID-19-Impfquoten des Kontinents steigern lassen?

Die ersten beiden Jahre der Pandemie waren geprägt von der rasanten Entwicklung von Impfstoffen wie von starker Ungerechtigkeit beim globalen Zugang. Mitte Januar 2022 sind noch 3,2 Milliarden Menschen ungeimpft gegen COVID-19, davon 1 Milliarde in Subsahara-Afrika. Mehr lokale Produktion könnte diese Situation verbessern. Eine Partnerschaft zwischen Ruanda und BioNTech wurde als Antwort auf die Forderung von Kommunen, medizinischen Fachkräften und globalen Gesundheitsakteuren nach mehr Impfstoffgerechtigkeit für Afrika präsentiert. Spätestens Mitte 2022 soll nach bisheriger Einschätzung der Bau einer Produktionsanlage beginnen.

Auch Präsident Paul Kagame begrüßte die Partnerschaft als „einen Wendepunkt für die Impfstoffgerechtigkeit“, da sie darauf abziele, Produktionskapazitäten zur Verbesserung der medizinischen Versorgung in Afrika aufzubauen. Gleichzeitig spiegelt dieses Vorhaben die industriellen Ambitionen Ruandas, denn es könnte dazu beitragen, die nationale Wirtschaft anzukurbeln. Laut dem Länderbericht Ruanda 2020 des Bertelsmann Transformation Index (BTI) strebt das Land mit seiner Langzeit-Strategie „Vision 2035“ an, durch Modernisierung der Landwirtschaft und einen wissensbasierten Industrie- und Dienstleistungssektor zu einem ostafrikanischen Wirtschaftszentrum mit mittlerem Einkommensniveau zu werden. Allerdings steht die wirtschaftliche Transformation noch am Anfang, und eine solide Impfstoffindustrie mit kontinentaler Reichweite würde dieses Modernisierungsstreben – und die politische Führung des Landes – stärken. Doch in einen Kontinent, der immer noch etwa 99 Prozent seiner Impfstoffe importiert, gestaltet sich der Aufbau einer qualitativ hochwertigen, nachhaltigen Produktion schwierig und ist nicht mit der Errichtung und personellen Ausstattung einer Produktionsstätte getan.

Pharmazeutische Richtlinien

Impfstoffe müssen angemessene Qualitäts-, Sicherheits-, Wirksamkeits- und Leistungsanforderungen erfüllen, um sicherzustellen, dass sie die gewünschte Immunität erreichen, ohne geimpfte Personen zu schädigen. Auch der lokal hergestellte Impfstoff müsste dem „Präqualifizierungsprogramm“ der Weltgesundheitsorganisation (WHO) vorgelegt werden. Dies geschieht über eine Notfallzulassung, mit der Produkte, die dringend im Bereich der öffentlichen Gesundheit benötigt werden, wie etwa COVID-19-Impfstoffe, beschleunigt geprüft werden. Bis Mitte Januar 2022 wurden bereits zehn in Hocheinkommensländern sowie Indien und China hergestellte Impfstoffe über dieses Verfahren „gelistet“.

Als weitere Sicherheitsmaßnahme müssen die Aufsichtsbehörden der Impfstoffherstellungsländer in der Lage sein, jede einzelne hergestellte Charge zu prüfen und zu genehmigen. Dies ist wichtig, um individuellen Impfschäden vorzubeugen, die das Misstrauen gegenüber Impfungen und Gesundheitssystemen insgesamt schüren könnten. Ruanda investiert, um die Kapazitäten seiner Lebensmittel- und Medikamentenaufsicht auszubauen, doch es wird mehr Zeit brauchen, bis ein stabiles, gut funktionierendes und integriertes Aufsichtssystem zu Verfügung steht.

Öffentliches Gut statt Handelsware

Wirtschaft, Politik und Gesundheitswesen fördern das BioNTech-Engagement in Ruanda. Um das Versprechen einzulösen, den Bedarf afrikanischer Länder, die lange auf COVID-19-Impfstoffe warten mussten, zu decken, sollten die Partner der öffentlichen Gesundheit Priorität einräumen und den Impfstoff als öffentliches Gut und nicht als kommerzielle Ware behandeln. Das würde bedeuten, ihn zu einem fairen Preis anzubieten, der auf den tatsächlichen Entwicklungs- und Produktionskosten basiert. Außerdem sollten die Partner ihre Preisfestlegungskriterien sowie die mit dem globalen Impfstoffaustauschprogramm COVAX und einzelnen Ländern ausgehandelten Preise transparent kommunizieren. Darüber hinaus sollte der Lizenzvertrag keine Bedingungen enthalten, die bestimmte Ländergruppen vom Vertrieb ausschließen.

Für wettbewerbsfähige Preise benötigen Hersteller große Produktionsmengen. Beispielsweise wurden in den 2000er Jahren die von der WHO zugelassenen HIV-Generika billiger, als Produktion und Behandlung ausgeweitet wurden. Die Hauptabnehmer von Impfstoffprogrammen in Subsahara-Afrika, wie COVAX, die Afrikanische Union und bilaterale Geber, sollten Skaleneffekte fördern, indem sie sich im Voraus verpflichten, die lokalen Impfstoffe zu beschaffen, sobald sie von der WHO gelistet sind. Dies gilt auch für europäische Geber und könnte die Ankündigung der Europäischen Union, sich besonders für die Stärkung afrikanischer Produktionskapazitäten einsetzen zu wollen, unterstreichen.

Die Zeit nach COVID-19

COVID-19 ist nicht die einzige Krankheit, die eine Zugangslücke offenbart: 2017 hatten weltweit etwa 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu lebenswichtigen Medikamenten und Impfstoffen. Sollte der ruandische Standort die erwartete Kapazität von mehreren hundert Millionen Dosen mRNA-Impfstoff erreichen, macht es Sinn, ihn auch für die Produktion anderer zukünftiger mRNA-Impfstoffe zu nutzen, zum Beispiel gegen Malaria und Tuberkulose.

Vereinbart ist, dass BioNTech sein Know-how an das örtliche Werk überträgt, doch die geistigen Eigentumsrechte bleiben beim deutschen Biotechnologieunternehmen. Ruanda und andere motivierte Länder des Kontinents werden ihre künftigen Prioritäten nicht autonom setzen können, solange sie auf freiwilligen Technologietransfer angewiesen sind. Für die bestmögliche Unterstützung der lokalen Produktion sollten daher alle führenden Politiker der Welt einer Reform der Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums zustimmen, wie sie vom WHO Council on the Economics of Health for All skizziert wurde: „Wissen sollte nicht als privatisiertes geistiges Eigentum unter der Kontrolle von Monopolen stehen, sondern als kollektive Errungenschaft angesehen werden, die im Rahmen eines kollektiven Wertschöpfungsprozesses erreicht wurde und die es offen zu teilen und auszutauschen gilt.“

Nach dem BTI-Länderbericht Ruanda 2020 blieb die industrielle Entwicklung des Landes bisher hinter den Erwartungen zurück. Vor diesem Hintergrund bietet die Pandemie eine Gelegenheit, industrielle Entwicklung mit öffentlicher Gesundheit zu verbinden. Die Partnerschaft zwischen BioNTech und Ruanda muss Marktinteressen und öffentliche Gesundheitsziele erfolgreich ausbalancieren, wenn sie wirklich etwas bewegen will. Begleitet werden muss sie von einem Ausbau der aufsichtsrechtlichen Kapazitäten, Transparenz bei der Preisfestlegung, Abnahmezusagen und einem flexiblen globalen Ökosystem für geistige Eigentumsrechte. Nur wenn sich diese Bedingungen erfüllen, wird diese wegweisende Partnerschaft in der Lage sein, den regionalen und kontinentalen Zugang zu COVID-19-Impfstoffen und anderen in der Entwicklung befindlichen zu verbessern – und damit zu einem ethischen Modell für ähnliche Initiativen zu werden.

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.

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