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Ferdinand Marcos Jr. während seines Wahlkampfs im April 2022. Foto: Patrickroque01, CC BY-SA 4.0 , https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0 via Wikimedia Commons

Der neue Präsident der Philippinen: Marcos Jr. steuert auf eine außenpolitische Neuausrichtung zu

Im Vorfeld seines Amtsantritts am 30. Juni strebt der designierte Präsident Ferdinand Marcos Jr. auf den Philippinen eine neue Ära der internationalen Beziehungen an. Bislang betont er dabei vor allem, weder zu abhängig von den USA noch zu eng mit China befreundet sein zu wollen.

Nur wenige Wochen nach seinem eindeutigen Wahlsieg traf der designierte philippinische Präsident Ferdinand Marcos Jr. die stellvertretende US-amerikanische Außenministerin Wendy Sherman. Diese betonte bei der Zusammenkunft die „langjährige“ Allianz zwischen den USA und den Philippinen und sicherte dem Sohn des Ex-Diktators, dem in den Vereinigten Staaten wegen der Missachtung eines gerichtlichen Urteils ein Bußgeld von bis zu 353 Millionen US-Dollar droht, „souveräne Immunität“ für anstehende Besuche in Washington zu.

Sowohl Marcos Jr. als auch seine Mutter, die ehemalige First Lady Imelda Marcos, wurden von Gerichten im In- und Ausland wegen verschiedener Straftaten verurteilt – und dennoch in mehrere Ämter gewählt. Kritiker befürchten nun, dass die Rückkehr der berüchtigten Marcos-Dynastie, die den Inselstaat bereits in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren mit eiserner Hand regierte und geradezu ausplünderte, die Korruption noch einmal verschärfen wird und auch die Abschaffung von Antikorruptions- und Menschenrechtsgremien mit sich bringen könnte.

Die Wahl von Marco Jr. ist das jüngste Kapitel der Regierungsgeschichte der Philippinen, in der stets einige wenige Familien die politische Macht auf sich vereinten – eine Realität, die das Land teuer zu stehen kommt, wie auch der Bertelsmann Transformation Index in seinem aktuellen Länderbericht unterstreicht. „Auf den Philippinen verhindert die anhaltende und gefestigte Dominanz verschiedener Familienclans die Reformen, die für eine weitere Vertiefung der Demokratie und für eine Transformation zu einer gerechteren Marktwirtschaft notwendig sind.“

Sherman war sich der Bedenken hinsichtlich der demokratischen Glaubwürdigkeit des neuen Präsidenten offensichtlich durchaus bewusst. Deshalb erinnerte sie die Öffentlichkeit wohl auch aktiv daran, dass sie mit dem Sohn des ehemaligen Diktators auch Menschenrechtsfragen diskutiert habe. Gleichzeitig fügte sie jedoch hinzu, dass „kein Land eine perfekte Bilanz hat“.

US-Präsident Joe Biden war das erste ausländische Staatsoberhaupt, das dem neuen philippinischen Staatschef telefonisch gratulierte, noch bevor die offiziellen Wahlergebnisse bekannt gegeben und die Bedenken über angebliche Unregelmäßigkeiten ausgeräumt wurden. Und die Leiterin der US-Botschaft in Manila, Heather Variava, war im vergangenen Monat eine der ersten ausländischen Diplomatinnen, die Marcos Jr. persönlich trafen. Allem Anschein nach ist das Vorgehen Washingtons gegenüber dem neuen philippinischen Staatschef also vor allem von einer realpolitischen Denke geprägt.

Überraschend ist das kaum, denn die USA haben gute Gründe dafür, eine kooperative Beziehung mit dem neuen philippinischen Führer anzustreben. Im Gegensatz zu dem scheidenden Staatsoberhaupt Rodrigo Duterte, der wiederholt damit drohte, das jahrhundertealte Bündnis des Landes mit den USA zugunsten Chinas aufzukündigen, will Marcos Jr. – getrieben von strukturellen Zwängen, dem strategischen Erbe seines Vaters und privaten Überzeugungen – in den philippinisch-amerikanischen Beziehungen ein neues Kapitel aufschlagen.

Das Werben um chinesische Investitionen

Natürlich wird Marcos Jr. darauf achten, die Beziehungen zu Peking aufrechtzuerhalten. So war er der einzige Präsidentschaftskandidat, der Dutertes China-Politik offen unterstützte und verlautbaren ließ, dass die „Politik der Annäherung, die die Duterte-Regierung trotz aller Kritik umsetzt, der richtige Weg ist“. Immerhin wolle man im Südchinesischen Meer „keinen Krieg mit China führen“. Zudem hat die Marcos-Familie selbst über Jahrzehnte hinweg gute Beziehungen zu Peking gepflegt.

Sein Vater, Ferdinand Marcos, war einer der ersten Verbündeten der USA, der formelle diplomatische Beziehungen zum maoistischen China aufnahm. Und auch Jahrzehnte nach seinem Sturz unterhalten die Marcos, die heute die nördliche Provinz Ilocos Norte beherrschen, im Rahmen der Maritime Silk Road Initiative (MSRI) beste wirtschaftliche und politische Beziehungen zu China. Als Präsident wird Marcos Jr. deshalb wohl auch aktiv um umfangreiche chinesische Investitionen werben, um seine ehrgeizige Infrastrukturreform zu finanzieren und das Wirtschaftswachstum nach fünf Quartalen der Rezession zwischen 2020 und 2021 endlich wieder anzukurbeln.

Gleichzeitig hat der neue philippinische Präsident in gewisser Weise eine härtere Haltung zu den Streitigkeiten im Südchinesischen Meer eingenommen, indem er wiederholt auf die Endgültigkeit der Entscheidung des internationalen Schiedsgerichts in Den Haag verweist. Dieses hatte bereits 2016 entschieden, dass China keine historischen Hoheitsansprüche auf Inseln im Südchinesischen Meer habe. Eine Entscheidung, die Marcos Jr. laut eigenem Bekunden „in keiner Weise gefährden“ werde. Zudem hat sein neuer Nationaler Sicherheitsberater angekündigt, eine „kritische Auseinandersetzung“ mit Peking verfolgen und in Zukunft eine weniger unterwürfige Haltung gegenüber der Volksrepublik an den Tag legen zu wollen.

Marcos‘ härtere Haltung gegenüber Peking und sein freundlicher Umgang mit Washington sind das Ergebnis von drei Schlüsselfaktoren. Dazu zählen erstens strukturelle Zwänge, wie die sich immer weiter verbreitende Anti-China-Haltung in der Öffentlichkeit und auch im Verteidigungssektor, in dem sich Offizielle vor allem um Chinas schleichender Präsenzausbau in philippinischen Gewässern Sorgen, zweitens die aktiven Störmanöver gegenüber philippinischen Fischern und Kriegsschiffen und drittens die chinesische Nichteinhaltung umfangreicher Investitionszusagen.

Ein anglophiler Präsident

Als gewiefter Politiker ist sich Marcos Jr. der Risiken bewusst, die mit der Fortsetzung des offenen Flirts seines Vorgängers mit China verbunden sind. Zudem fehlt ihm auch die lebenslange Abneigung seines Vorgängers gegenüber dem Westen, die Dutertes Politik gegenüber Washington maßgeblich prägte. Vielmehr haben Marcos Jr. und ein Großteil seiner Familie westliche Schulen und Universitäten besucht.

So spielt der neue philippinische Präsident nicht nur Saxophon und hat zwischenzeitlich in Oxford und Wharton studiert, sondern ist auch ein Liebhaber der britischen Kultur. Während Duterte in seiner sechsjährigen Amtszeit nicht eine einzige westliche Hauptstadt aufsuchte, wird Marcos Jr. wahrscheinlich seit fast einem Jahrzehnt der erste philippinische Präsident sein, der das Weiße Haus besucht.

Und so wird Marcos Jr. wahrscheinlich in die Fußstapfen seines Vaters treten, der seine politische Position ebenfalls stärkte, indem er sich strategisch klug zwischen den verschiedenen Großmächten positionierte und stets alle Kommunikationskanäle offenhielt.

In einem klaren Bruch mit Dutertes pro-chinesischem Erbe verhinderte der neue Präsident zudem nur Tage nach der Wahl, dass dessen Tochter, Sara Duterte, den Posten als Verteidigungsministerin erhielt. Stattdessen hieß Marcos Jr. Würdenträger aus Europa, Japan, Indien und Südkorea willkommen – und unterstrich damit seine Präferenz für eine Außenpolitik, die weder zu sehr von den USA abhängig noch zu sehr an China orientiert ist, sondern ein breites Netz strategischer Partnerschaften anstrebt. Was die Außenpolitik betrifft, so scheint der Apfel also nicht weit vom Stamm zu fallen.

 

Aus dem Englischen übersetzt von Kai Schnier

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