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Straßenbarrikaden in Nordkosovo, 2022. Photo: Glas Amerike (Voice of America), via Wikimedia Commons. Public domain, https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/

Serbien-Kosovo: Ein Abkommen soll die Region stabilisieren

Die Verhandlungen um eine Annäherung zwischen Serbien und Kosovo führten im Februar und März zu einem mündlichen Abschluss. Ist trotz mancher Unklarheit bezüglich der Regelungen und der instabilen Lage im Norden des Kosovo eine Verständigung tatsächlich möglich?

Seit der Kosovo im Jahr 2008 seine Unabhängigkeit von Serbien erklärt hatte, weigerte sich Serbien, den Kosovo als Staat anzuerkennen. Auch wenn das kürzlich angenommene neue Abkommen nichts an den gegensätzlichen Auffassungen Belgrads und Pristinas über den Kosovo ändert – die einen sehen ihn als abtrünnige Provinz, die anderen als unabhängigen Staat –, bietet es doch einen Weg, die tiefgründenden Spannungen zu überbrücken. Das Abkommen sieht vor, dass Serbien die nationalen Dokumente und Symbole des Kosovo anerkennt und sich der Mitgliedschaft des Kosovo in internationalen Organisationen nicht widersetzt. Im Wesentlichen würde dies einer De-facto-Anerkennung des Kosovo durch Serbien gleichkommen. Gleichzeitig sieht es vor, dass der Kosovo dem serbischen Bevölkerungsteil im Kosovo ein angemessenes Maß an Selbstverwaltung garantiert. Vor dem Hintergrund des von Russland geführten Krieges in der Ukraine und der seit Mitte 2022 zunehmenden Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo, vor allem im Norden des Kosovo, markiert dieses Abkommen den Höhepunkt der diplomatischen Bemühungen um die Stabilisierung dieser Region.

Dabei verbesserten sich tendenziell die Beziehungen zwischen Serben und Albanern im Kosovo bis vor kurzer Zeit. Im Bertelsmann-Länderbericht für den Kosovo 2022 heißt es: „Die Zusammenarbeit zwischen den Kosovo-Serben und der Regierung [in Pristina] hat sich verbessert, seit Belgrad in dem von der EU moderierten Brüsseler Abkommen von 2013 die Zuständigkeit Pristinas über die mehrheitlich serbischen Gebiete (Nordkosovo) im Gegenzug für mehr Autonomie für die Kosovo-Serben anerkannte.“ Dieses Abkommen führte zur Integration der Kosovo-Serben in das Justizsystem und den Polizeiapparat des Kosovo und sah außerdem die Einrichtung eines Verbands der Gemeinden mit serbischer Mehrheit (A/CSM) vor, ein Mechanismus, der diesen Gemeinden größere Autonomie in Bereichen wie Gesundheit und Bildung gewähren soll. Bislang wurde dieser Gemeindeverband noch nicht eingerichtet, gleichwohl sieht das neue Abkommen von 2023 seine Etablierung vor.

Spannungen im nördlichen Kosovo

Seit Mitte 2022 verschlechtern sich die Beziehungen zwischen der serbischen Bevölkerung im Norden und der kosovarischen Regierung. Zu Spannungen kam es aufgrund der Entscheidung Pristinas, das Fahren mit serbischen KfZ-Kennzeichen für Städte im Kosovo unter Strafe zu stellen. Diese Nummernschilder betrachtet der Kosovo als illegal. Von dieser Entscheidung waren vor allem Serben aus dem Norden betroffen. Aufgrund der anhaltenden Weigerung der kosovarischen Regierung, die A/CSM einzurichten, legten zudem Serben im Norden massenhaft ihre Posten nieder und traten aus den kosovarischen Institutionen aus, einschließlich der Justiz und der Polizei. Diese Rücktritte wurden aus Belgrad ermutigt. Dadurch ist ein ähnliches Sicherheitsvakuum entstanden wie vor der Integration der Serben in die institutionellen Strukturen des Kosovo im Jahr 2013. Ende April boykottierten die Serben im Norden des Kosovo die lokalen Wahlen. Wie zu erwarten war, wurden in den vier mehrheitlich serbischen Gemeinden kosovo-albanische Vertreter zu Bürgermeistern gewählt. Bei einer Wahlbeteiligung von 3,5 Prozent ist die Legitimität dieser Wahlen fraglich.

Angesichts dieser jüngsten Entwicklungen stellt sich die Frage, wie das neue Abkommen von 2023 umgesetzt werden kann, wenn die Serben in einem Teil des Kosovo, nämlich im Norden, eine Teilnahme am politischen Leben des Kosovo ablehnen.

Ein brüchiges Abkommen?

Ein häufig geäußerter Kritikpunkt an dem neuen Abkommen ist, dass EU und USA gemäß dem Motto „alles oder nichts“ keine Verhandlungen darüber zuließen. Das bedeutet, dass Serbien und der Kosovo keine Eigenverantwortung übernommen haben. Darüber hinaus kritisieren einige zivilgesellschaftliche Akteure aus dem Nordkosovo das Abkommen als bevölkerungsfern, da es sich mit hochrangigen politischen Fragen (wie der gegenseitigen Anerkennung) befasst statt mit der Frage, wie die Lebenswirklichkeit der lokalen Bevölkerung verbessert werden kann, was der offizielle Auftrag des Brüsseler Dialogs ist.

Man muss sich fragen, warum diese Art von Feindseligkeit zur Normalität im nördlichen Kosovo geworden ist, wo sich doch noch vor wenigen Jahren die Beziehungen deutlich verbessert hatten?

Einerseits beugten sich die Serben dem Druck aus Belgrad und trieben ein politisches Spiel damit, die Institutionen zu verlassen, in der Hoffnung, dies könne der serbischen Regierung bei den laufenden Gesprächen über das neue Abkommen nützlich sein. Diese Taktik hat sich teilweise ausgezahlt, da die Verpflichtung zur Umsetzung des A/CSM wieder in den Vordergrund des Dialogs gerückt ist. Dieser Schritt kam jedoch in erster Linie Belgrad zugute, während sich die Situation für die serbische Bevölkerung im Nordkosovo verschlechterte, vor allem in Bezug auf die Sicherheit.

Andererseits hat das Bestreben der neuen kosovarischen Regierung, im Verhältnis zu Serbien andere Saiten aufzuziehen und auf der Umsetzung von vorgesehenen Maßnahmen zu bestehen, die Spannungen im Norden überhaupt erst ausgelöst. Starke Spannungen führen leicht zu ethnischer Spaltung. Mit dieser Entwicklung gewinnt Belgrad Spielraum für Beeinflussungen zu seinem eigenen Vorteil.

Wie lassen sich diese Spannungen nun abbauen, damit der Umsetzung des neuen Abkommens nichts im Wege steht? In erster Linie ist die EU darauf angewiesen, dass Belgrad konstruktiv auf eine Lösung hinarbeitet, so wie 2013, als das Brüsseler Abkommen vermittelt wurde. Nur wenn die Kosovo-Serben uneingeschränkt an den Institutionen des Kosovo teilhaben, können die bisher getroffenen Vereinbarungen auch umgesetzt werden. In einem ersten Schritt sollte Belgrad die Kosovo-Serben ermutigen, in die Institutionen zurückzukehren, da dies ein klares Signal für ein konstruktives Engagement wäre, das auch den Kosovo-Serben zugute käme, da sie ein gewisses Maß an Macht zurückerhalten würden. Die Serben im Nordkosovo haben bereits gegenüber Belgrad und der größten kosovo-serbischen Partei Lista Srpska ihren Unmut zum Ausdruck gebracht, weil sie nicht mehr in den Institutionen vertreten sind. Belgrad sollte daher seinen politischen Einfluss auf Lista Srpska lockern und den politischen Pluralismus innerhalb der serbischen Bevölkerung entlang des gesamten Flusses Ibar fördern. Es gibt jedoch keine Anzeichen dafür, dass dies in naher Zukunft geschehen wird. Die Monopolisierung der serbischen Interessen im Kosovo durch die Lista Srpska folgt einem Trend zur Monopolisierung der politischen Vertretung durch die regierende SNS-Partei in Serbien, die vom serbischen Präsidenten geführt wird.

Zweitens sollte Pristina von Maßnahmen absehen, die die Spannungen im Norden weiter anheizen. Zum Beispiel, indem es die Eröffnung der Hauptbrücke in Mitrovica, die seit 1999 ein Symbol der ethnischen Teilung ist, verschiebt, bis die Serben in die Institutionen des Kosovo zurückgekehrt sind. Pristina sollte die Möglichkeiten nutzen, die der Unmut der Serben im Norden des Kosovo gegenüber Belgrad und der Lista Srpska eröffnet, um einen ehrlichen Dialog mit der serbischen Bevölkerung in diesem Gebiet zu beginnen, anstatt zu einseitigen Maßnahmen zu greifen, die die Situation weiter anheizen könnten.

Schließlich sollte die EU die in dem neuen Abkommen erwähnte Geberkonferenz, die fünf Monate nach der Verabschiedung stattfinden soll, nutzen, um die Umsetzung der Vereinbarung sicherzustellen. Wenn die Verteilung von Mitteln sowohl für Belgrad als auch für Pristina an das Erreichen von Fortschritten geknüpft wird, hat man einen politischen Hebel, um die Umsetzung zumindest einiger Teile des Abkommens zu erzielen. Zwar werden Fortschritte bei Themen wie der De-facto-Anerkennung des Kosovo durch Serbien oder der institutionellen Einrichtung der A/CSM länger brauchen als fünf Monate, dennoch könnte die Geberkonferenz als Übergangsmaßnahme die Region aus der Sackgasse herausführen und dazu beitragen, dass, wenn schon nicht die internationalen Beziehungen zwischen Kosovo und Serbien, so doch zumindest die politische Lage sich im Norden des Kosovo verbessert.

Zuerst veröffentlicht auf https://www.euractiv.de/section/eu-aussenpolitik/opinion/serbien-und-kosovo-neues-abkommen-unter-zunehmenden-spannungen/

Aus dem Englischen übersetzt von Karola Klatt

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