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Cretep, Public domain, via Wikimedia Commons

Unruhige Zeiten für einen afrikanischen Modellstaat? Botswana vor den Parlamentswahlen 2024

Jahrelang galt Botswana sowohl mit Blick auf seine robusten demokratischen Institutionen als auch angesichts seiner wirtschaftlichen Stärke als afrikanischer Vorzeigestaat. Im Vorfeld der Parlamentswahlen Ende Oktober ist die Zukunft des Landes jedoch ungewisser denn je. Ungleichheit, Klimawandel und politischen Fehden tragen ihren Teil dazu bei.  

Botswana gilt gemeinhin als Musterbeispiel für Demokratie, gute Regierungsführung und pragmatische politische Entscheidungsfindung – oder um es in den Worten des Auslandskorrespondenten Robert Guest zu sagen: Das Land wurde seit seiner Unabhängigkeit stets „vernünftig, umsichtig und mehr oder weniger ehrlich regiert“. Diesen Ruf hat Botswana selbst in einer Zeit aufrechterhalten, in der Demokratien weltweit zunehmend in die Defensive geraten sind. Grund dafür ist unter anderem das sogenannte Kgotla-System, durch das Interessengruppen bis hinunter auf die ländliche Regierungsebene in die politischen Geschicke des Landes miteinbezogen werden. Dank einer politischen Kultur, die auf öffentlichen Versammlungen, Gemeinderäten und traditionellen juristischen Prinzipien beruht, ist das Vertrauen in die Institutionen und die die Regierungsführung des Landes weiterhin vergleichsweise stark, insbesondere da Botswana auf Jahrzehnte des politischen und des wirtschaftlichen Erfolgs zurückblicken kann.  

Botswana ist die älteste Mehrparteiendemokratie in Afrika und die demokratischen Wurzeln des Landes reichen bis in die Kolonialzeit zurück. Damals übten die Briten lediglich eine indirekte Herrschaft über das sogenannte Protektorat Betschuanaland aus, in dem sich so trotz der ausländischen Kontrolle viele einheimische Institutionen und einheimische politische Akteure etablieren konnten. Sir Seretse Khama, der erste Präsident Botswanas und Gründer der Botswana Democratic Party (BDP), überführte die vielen politischen Stammesstrukturen nach der Unabhängigkeit des Landes erfolgreich in das demokratische Regierungssystem, indem er die Wichtigkeit lokaler Führungspersonen betonte, für den Schutz aller Bürgerinnen und Bürger sowie für den Schutz der Medien einstand. Nach seinem Tod im Jahr 1980 wurde sein Erbe von der BDP erfolgreich weitergeführt. Nicht umsonst hat die Partei seither jede Parlamentswahl gewonnen, was einer gewissen Ironie natürlich nicht entbehrt: In seiner 57-jährigen Geschichte wurde die blühende Mehrparteiendemokratie nur von einer einzigen Partei regiert. Ob diese Siegesserie jedoch auch in Zukunft weitergeht, ist derzeit alles andere als klar. Unter anderem, weil die Dominanz der BDP heute von niemand anderem in Frage gestellt wird als Sir Seretse Khamas eigenem Sohn.  

Am Rande eines politischen Wandels  

Nach seinem Tod im Jahr 1980 wurde Sir Seretse Khama zunächst von Ketumile Masire und Festus Mogae beerbt. 2008 übernahm dann sein Sohn Ian Khama die Regierung. Gemäß der Verfassung übergab dieser die Macht zehn Jahre später – nach Ablauf zwei fünfjähriger Amtszeiten – an seinen damaligen Vizepräsidenten Mokgweetsi Masisi. Bereits zu dieser Zeit nahm die Unterstützung für die Opposition jedoch Schritt für Schritt zu: 45 % der Wählerstimmen entfielen damals auf alle Oppositionsparteien zusammen, während die BDP noch 53 % erhielt – und ein massiver Streit zwischen Masisi und Ian Khama sollte diesen Trend weiter befeuern.  

Im März 2023 kritisierte Khama seinen Nachfolger öffentlich, indem er Masisi unterstellte, er habe „Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit seit seiner Amtsübernahme völlig untergraben“. Wenig später verließ Khama die BDP und gründete die Botswana Patriotic Front (BPF). Nach Angaben von Masisis Büro ist dieser dramatische Bruch zum Teil auf Masisis Weigerung zurückzuführen, Khamas Bruder Tshekedi Khama im Jahr 2019 zum Vizepräsidenten zu ernennen. Zudem lehnte Masisi wohl auch einige andere Forderungen ab, mit denen Ian Khama sich über seine Präsidentschaft hinaus eine aktive Rolle in der Regierungsführung sichern wollte. Im Hinblick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen im Oktober könnten diese Zersplitterung der BDP und die Fehde zwischen Khama und Masisi die Vorherrschaft der Partei erstmals nachhaltig in Frage stellen. Wenn es den Oppositionsparteien gelingt, sich auf einen politischen Kurs zu einigen und sich konstruktiv mit den Herausforderungen des Landes auseinanderzusetzen, dann könnte 2024 Jahr werden, das das Ende der 57-jährigen Herrschaft der BDP in Botswana einläutet. 

Wirtschaftliche Turbulenzen: Das Ende der Diamantenwirtschaft? 

Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch die wertvollste Ressource des Landes: Diamanten. Nach der Unabhängigkeit wurde das stetige Wirtschaftswachstum Botswanas fast ausschließlich von seinem Diamantenreichtum angetrieben. Zentral war dabei die Gründung von Debswana im Jahr 1969, einem Joint Venture zwischen der botswanischen Regierung und dem Anglo-American-Tochterunternehmen De Beers, das heute der wertmäßig größte Diamantenproduzent der Welt ist. Über Jahrzehnte sorgten die reichen Diamantenvorkommen des Landes so einerseits für einen stabilen Aufwärtstrend, der in der Region seinesgleichen sucht. Andererseits trug dieser einzigartige Ressourcenreichtum jedoch auch dazu bei, dass andere Wirtschaftszweige fast vollständig ignoriert wurden und die Wirtschaft in Botswana bis heute unter einer quälend langsamen Diversifizierung leidet.  

Umso härter trifft es das Land nun, dass die Diamantenverkäufe von Debswana im ersten Quartal 2024 um 48 % eingebrochen sind. Die weltweit rückläufige Nachfrage nach den Edelsteinen und die zunehmende Popularität von synthetischen Diamanten sorgt in Botswana für steigende Arbeitslosenzahlen und wirtschaftliche Unsicherheit. Zudem ist es für die Ruhe in diesem Wirtschaftssektor alles andere als förderlich, dass jüngst die Nachricht eines gescheiterten Übernahmeversuchs von Anglo American durch die BHP-Group öffentlich wurde. Es überrascht daher nicht, dass dem weiterhin hohen Pro-Kopf-BIP des Landes mittlerweile einige weniger erfreuliche Kennzahlen gegenüberstehen: So büßte Botswana im Bertelsmann Transformation Index (BTI) mit Blick auf die sozioökonomische Entwicklung beispielsweise Punkte ein, was nicht zuletzt auf die noch immer hohe wirtschaftliche Ungleichheit im Land (53,3 auf dem Gini-Index) und eine hohe Armutsquote von 38 %, auch befeuert durch ansteigende Jungendarbeitslosigkeit, zurückzuführen ist. 

In der Hoffnung, die Abhängigkeit von Diamanten langfristig zu begrenzen, das Wachstum anderer Sektoren zu beschleunigen und eine Wirtschaftskrise abzuwenden, hat die botswanische Regierung nach der Coronapandemie unter anderem die sogenannte Reset-Agenda verabschiedet. Eine zentrale Rolle spielen darin die wirtschaftliche Diversifizierung, die Stärkung des Arbeitsmarkts und die Förderung von Kindern und Jugendlichen. Darüber hinaus wurden von der BDP auch immer wieder Versuche unternommen, lokale Industrien zu fördern und wichtige Wirtschaftszweige autark zu machen, etwa durch ein temporäres Importverbot von bestimmten Nahrungsmitteln und Subventionen für essenzielle Sektoren. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Landwirtschaft des Landes stark von Wettermustern und Regenfällen abhängig ist, die nachhaltig durch den Klimawandel beeinflusst werden, sollten solche Strategien in Zukunft noch wichtiger werden.  

In der jüngeren Geschichte Botswanas zeigt sich zwar, dass gerade die starken Finanzinstitutionen und das robuste Bankensystem des Landes Krisen und wirtschaftliche Turbulenzen abfedern können. Dennoch bleiben die fehlende wirtschaftliche Diversifizierung und die zunehmende Ungleichheit drängende Probleme, die auch in den kommenden Jahren fortbestehen werden – und gerade bei den bevorstehenden Parlamentswahlen, die sich schon heute als die am stärksten umkämpften Wahlen in der Geschichte des Landes abzeichnen, werden sie eine zentrale Rolle spielen. 

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