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Wandbild mit Samora Machel (FRELIMO), erster Präsident Mosambiks nach der Erlangung der Unabhängigkeit. Cornelius Kibelka / Flickr – CC BY-SA 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/legalcode.en

Proteste nach umstrittener Wahl: Die Wut wächst in Mosamik

Aus den letztjährigen Wahlen ging Mosambiks Regierungspartei FRELIMO als umstrittener Sieger hervor und verlängerte damit ihre seit 49 Jahren andauernde Machtstellung in dem südafrikanischen Land. Jedoch wächst der Widerstand gegen die bestehenden Verhältnisse – was steckt hinter der Unzufriedenheit, und welche Parallelen bestehen zu den Protesten in Kenia und Nigeria?

Im vergangenen Oktober hielt Mosambik seine siebte Wahl in einem Mehrparteiensystem seit dem Ende des Bürgerkriegs im Jahr 1994 ab – doch die Ergebnisse sind umstritten. Nationale und internationale Wahlbeobachter , darunter Delegationen der Bischofskonferenz und der Europäischen Union, stellten Unregelmäßigkeiten im Wahlprozess fest. Dennoch erklärte das Oberste Gericht des Landes Daniel Chapo von der regierenden FRELIMO (Mosambikanische Befreiungsfront) zum Sieger mit 65,2 Prozent der Stimmen – ein nachträglich korrigierter Wert, der zuvor bei fast 71 Prozent gelegen hatte.

Sein größter Konkurrent mit 24,2 Prozent der Stimmen war Venâncio Mondlane, Vorsitzender der Partei PODEMOS (Partei der Optimisten für die Entwicklung Mosambiks), die sich von einer Randerscheinung auf der politischen Bühne zur wichtigsten Oppositionspartei im Land entwickelt hat. PODEMOS, gegründet von ehemaligen FRELIMO-Mitgliedern, gewann an Bedeutung, indem sie den Unmut der Jugend über die Regierung aufgriff. FRELIMO, ehemals eine marxistisch-leninistische Organisation, behauptet sich ideologisch längst dem demokratischen Sozialismus zugewandt zu haben – doch viele bleiben skeptisch.

Nach der Wahl brachen in den Städten Maputo, Beira und Nampula Proteste aus. Schätzungen zufolge hat die postelektorale Gewalt seit Oktober über 400 Todesopfer gefordert. Die Spannungen eskalierten, nachdem ein Anwalt und ein Parteifunktionär der mosambikanischen Opposition getötet wurden – Unbekannte hatten l aut Reuters mehrere Schüsse auf ein Auto abgegeben, als das Wahlergebnis noch unklar war.

Die Behörden griffen hart durch, inzwischen wurden mehr als 2.000 Menschen willkürlich festgenommen und Internetsperren verhängt, wie ein aktueller Bericht der Organisation Access Now bestätigt. Mitten im politischen Chaos gelang im Dezember 1.500 Häftlingen die Flucht aus einem Gefängnis in Maputo.

„Der Einsatz von Panzern und schwer bewaffneten Einsatzkräften hat Maputo und andere Städte des Landes faktisch in eine Konfliktzone verwandelt und unter der Bevölkerung große Besorgnis ausgelöst“, sagte Adriano Nuvunga, Direktor des renommierten mosambikanischen Thinktanks Zentrum für Demokratie und Menschenrechte gegenüber einer Lokalzeitung.

Der Unmut der Jungen wächst, die Proteste halten an 

FRELIMO regiert das Land seit der Unabhängigkeit von der portugiesischen Kolonialherrschaft im Jahr 1975. Kritische zivilgesellschaftliche Akteure werfen der Partei vor, ihre Macht durch Wahlmanipulation zu sichern und ein autoritäres Regime errichtet zu haben, das abweichende Meinungen unterdrückt und Vetternwirtschaft begünstigt.

Viele Beobachter sehen Parallelen zu den Protesten in Nigeria und Kenia während der vergangenen fünf Jahre. Immer mehr junge Menschen äußern ihre Enttäuschung über eine Demokratie, die weder die Lebensverhältnisse verbessert noch grundlegende Menschenrechte wirksam schützt.

Analysten betonen zwar, dass in Nigeria und Kenia – wo die Proteste durch Polizeigewalt und steigende Lebenshaltungskosten ausgelöst wurden – anders als in Mosambik ein charismatischer Anführer fehlt. Stattdessen entstanden die Bewegungen dort organisch und wurden von jungen Menschen getragen – nicht von der breiten Zivilgesellschaft oder Oppositionspolitikern. Dennoch wurden sie, wie auch in Mosambik, von der gleichen Bevölkerungsgruppe angeführt: der Jugend.

Schließlich schlugen die Proteste in Plünderungen um, die auch als Reaktion auf die vielfältigen Probleme im Land zu sehen sind: weit verbreitete Korruption, 80 Prozent Jugendarbeitslosigkeit, die anhaltenden Folgen des Zyklons Chido sowie dschihadistische Gewalt.

Mondlane rief zu weiteren Protesten auf und verteidigte dabei seine Anhänger gegen Vorwürfe der Behörden, sie hätten geplündert und Infrastruktur beschädigt: „Es sind die Polizisten, die bereit sind, die Geschäfte zu plündern, die Banken in Brand zu setzen und in Lagerhallen einzubrechen“, sagte er in einer Live-Sendung Anfang dieses Monats. „Ihr habt die Bilder gesehen, auf denen Polizisten die Menschen auffordern, hereinzukommen und sich Lebensmittel zu holen. Die Menschen kommen, weil sie Hunger haben.“

Junge Generation ohne Bindung zur alten Befreiungsbewegung

Einige Aspekte des jüngsten Aufstands sind jedoch spezifisch für Mosambik. Die schiere Dominanz der FRELIMO-Partei, ihre tiefe Verwurzelung im Staatsapparat und ihre Kontrolle über wichtige Sektoren der Wirtschaft lassen ihre Machtposition nahezu zwingend erscheinen. Anders als in den vergleichsweise offenen politischen Landschaften Kenias oder Nigerias, wo Oppositionsstimmen Raum finden und laut bleiben, ist das politische Terrain Mosambiks streng kontrolliert und schränkt den Raum für abweichende Positionen stark ein. Unter Chapos unmittelbaren Vorgängerpräsidenten Filipe Nyusi wurden diesbezüglich einige Verbesserungen im Vergleich zu seinen Vorgängern erzielt, aber der Fortschritt blieb minimal.

Laut dem Länderbericht 2024 des Bertelsmann Transformationsindex sind Protestaktionen von zivilgesellschaftlichen Akteuren zwar erlaubt, die Behörden müssen jedoch über diese informiert werden. In der Praxis wird aus dieser Auskunftspflicht oft eine Genehmigungspflicht. Proteste wurden in der jüngeren Vergangenheit oft verboten oder aber durch Einschüchterung zur Auflösung getrieben, so der Bericht weiter.

Insgesamt stufte der BTI das Land als „moderate Autokratie“ ein und gab den Demokratie-Status mit 4,1 von möglichen zehn Punkten an. Das bedeutet einen Rückgang gegenüber 6,1 Punkten vor zehn Jahren und spiegelt eine stetige Erosion demokratischer Freiheiten wider. „In Mosambik löst Wirtschaftswachstum keine Entwicklung aus, da es politischen Maßnahmen an Kohärenz und Koordination mangelt und rechtliche Rahmenbedingungen unzureichend umgesetzt werden“, resümierten die BTI-Autoren.

Im Süden Afrikas entspringen Regierungsparteien wie FRELIMO, der ANC in Südafrika und die ZANU-PF in Simbabwe den nationalistischen Bewegungen, die einst gegen den Siedlerkolonialismus gekämpft haben. Doch das Medianalter in vielen dieser Länder liegt zwischen 18 und 23 Jahren, was bedeutet, dass viele Bürger in den Tagen des nationalistischen Kampfes noch nicht geboren waren und daher weder die Nostalgie jener Zeit noch die Solidarität der Älteren mit diesen Befreiungsbewegungen teilen. Das begünstigt die Empörung in der jüngeren Generation gegen die herrschenden Schichten.

Über lange Zeit wirkte das Trauma des Bürgerkriegs nach – ein Konflikt, der Bruder gegen Bruder aufhetzte und tiefe psychische Narben hinterließ. Die Angst vor einer Rückkehr der Gewalt und die Erinnerung an die grausamen Jahre des Krieges wirkten in der Vergangenheit wie ein starkes Hemmnis, das die Stimmen des Protests erstickte. Doch die Jugend, die diese Erinnerungen nicht teilt, geht nun auf die Straße, um ihrer Frustration Ausdruck zu verleihen.

Diese Gegebenheit wusste Mondlane, ein Populist mit Gespür für sein Anhängerschaft, geschickt auszunutzen. Statt mit FRELIMO über eine Machtteilung zu verhandeln, mobilisierte er seine Anhänger, um die Proteste fortzusetzen. Das Kräfteverhältnis beginnt sich so zu verschieben und Mondlane wartet nur auf die nächste Gelegenheit, um die jungen Menschen erneut auf die Straße zu bringen, um letztlich der Partei, die immer mehr für die Probleme im Land verantwortlich gemacht wird, die Macht zu entreißen.

Zuerst veröffentlicht bei Fair Observer

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