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: Zakarie Faibis / Wikimedia Commons – CC BY-SA 4.0, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode.en

Sportswashing für Ruanda

Wenn am 15. Juni im kalifornischen Pasadena die Fußballmannschaften von Paris Saint-Germain und Atlético Madrid im Rahmen der FIFA Klub-Weltmeisterschaft aufeinandertreffen, werden beide Vereine auf ihren Trikots dasselbe Produkt bewerben: „Visit Rwanda“, die Tourismusinitiative des staatlichen Rwanda Development Board. Auch aus der deutschen Bundesliga kennt man durch Bandenwerbung des FC Bayern München mittlerweile dieses Logo. Doch was wird da eigentlich beworben 

Der Transformationsindex BTI hat eine klare Einschätzung, was denn da besucht werden soll: Bei Ruanda handelt es sich laut Ländergutachten um einen „autoritären Entwicklungsstaat“, also ein politisches System, das eine zentral gesteuerte Wirtschaftsentwicklung mit autoritärer Herrschaft kombiniert. Das kleine ostafrikanische Land, mit gut 26.000 Quadratkilometern in etwa so groß wie die Metropolregion München (allerdings mit einer Bevölkerung von rund 14 Millionen Menschen mehr als doppelt so stark besiedelt) ist eine mit harter Hand regierte Diktatur. Freie Wahlen gibt es nicht. Staatschef Paul Kagame, seit 25 Jahren im Amt, wurde im vergangenen Juli mit 99,18 Prozent der Stimmen wiedergewählt, eine ernsthafte Opposition wurde nicht zugelassen. Unabhängige Organisationen und Medien oder gar regierungskritische Demonstrationen sind nicht erlaubt. Als harte Autokratie liegt Ruanda im BTI-Index schon seit Jahren irgendwo zwischen Rang 90 und 100 von 137 untersuchten Ländern – ist also sehr repressiv, ohne das Ausmaß brutaler Unterdrückung wie im Iran, in Nordkorea oder in Saudi-Arabien aufzuweisen.  

Wurzeln autoritären Regierens in Ruanda

Das harte autoritäre Regime hat historische Wurzeln, deren man sich gerade in Deutschland bewusst sein sollte. Ruanda war (zusammen mit Burundi und Tansania) von 1897 bis 1916 Teil der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Die Bevorzugung der Tutsi-Elite durch die deutsche (und später die belgische) Kolonialverwaltung und damit die systematische Benachteiligung der Hutu-Bevölkerungsmehrheit verstärkte eine gesellschaftliche Konfliktlinie, die noch unter belgischer Herrschaft 1959 in einem gewaltsamen Aufstand der diskriminierten und radikalisierten Hutu mündete. In landesweiten Pogromen wurden Tausende Tutsi getötet, rund 150.000 Tutsi flohen nach Burundi, Uganda und in den Kongo. Nach Abschaffung der Monarchie 1961 und Erlangung der Unabhängigkeit 1962 wurden unter den autoritär regierenden Hutu-Präsidenten Grégoire Kayibanda und ab 1973 Juvénal Habyarimana die Tutsi systematisch diskriminiert und von öffentlichen Ämtern in Armee, Verwaltung und Bildung ausgeschlossen. Weitere Pogrome verstärkten die Flucht von Tutsi ins benachbarte Ausland.  

Im ugandischen Exil bildete sich die Rwandan Patriotic Front (RPF), die den Sturz des Habyarimana-Regimes und die Rückkehr der Tutsi-Flüchtlinge nach Ruanda anstrebte. Sie begann im Oktober 1990 eine militärische Offensive und löste damit den ruandischen Bürgerkrieg aus. Ein zwischenzeitiges Friedensabkommen sah 1993 eine Machtteilung vor, gegen die vor allem radikale Hutus Front machten. Der Absturz des Flugzeugs von Präsident Habyarimana im April 1994 war unmittelbarer Auslöser für bereits im Vorfeld mittels Namenslisten und Waffenverteilungen organisierte Massaker gegen Tutsi und moderate Hutu. Binnen vier Monaten wurden etwa 800.000 bis 1.000.000 Menschen ermordet – überwiegend Tutsi. Während die internationale Gemeinschaft sich weitgehend passiv verhielt, brachte die RPF unter Führung von Paul Kagame bis Juli 1994 das Land militärisch unter Kontrolle und beendete damit den Völkermord. 

Diese tragische Vorgeschichte ist wesentlich, um zu begreifen, dass Paul Kagame und die RPF trotz ihrer repressiven Herrschaft innerhalb des Landes keineswegs nur als diktatorisches Regime wahrgenommen werden. Eine Analyse der Präsidentschaftswahlen 2024 des südafrikanischen Institute for Justice and Reconciliation (IJR) mahnte deshalb, man müsse sich vor Augen halten, dass „dies derselbe Kagame ist, der Ruanda aus dem Trauma des Völkermords geführt, das Land geeint und bedeutende Entwicklungsfortschritte erzielt hat.“ Als Erfolge rufen die Autoren eine weitgehend aussöhnende Erinnerungskultur, Fortschritte in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Geschlechtergleichheit sowie Wirtschaftswachstum auf.  

Auch wenn Ruanda stark von internationaler Entwicklungshilfe abhängt und pro Kopf eines der besonders bevorzugten Empfängerländer ist; auch wenn die Lernfähigkeit der ruandischen Regierung durch rigide Top-Down-Steuerung (beispielsweise im Bereich der Agrarreform) stark eingeschränkt ist; auch wenn die Ungleichheit im Land stark zunimmt, insbesondere angesichts eines wachsenden Stadt-Land-Gefälles und einer strukturellen Benachteiligung der zumeist ärmeren Hutu-Bevölkerungsmehrheit; und auch wenn Aussöhnung in vielen Fällen selektiv verlief und Menschenrechtsverletzungen der Rwandan Patriotic Front nicht thematisiert wurden – gleichwohl ist anzuerkennen, dass das Land deutlich an Stabilität und wirtschaftlicher Entwicklung gewonnen hat. 

Innenpolitische Repression, außenpolitische Aggression

Die Kehrseite einer rigiden staatlichen Lenkung sind gravierende Demokratiedefizite, die sich nicht allein auf manipulierte Wahlen und das Fehlen von Gewaltenteilung beschränken. Der BTI-Länderbericht zeigt auf, dass alle zivilgesellschaftlichen und journalistischen Aktivitäten, die des „Divisionismus“, des Schürens ethnischer Konflikte und des Gefährdens der nationalen Einheit, beschuldigt sind, aggressiv verfolgt und unterdrückt werden. Dazu zählt explizit jegliche Kritik an Präsident Kagame und hochrangigen Entscheidungsträgern. Erst letztes Jahr hatte das internationale investigative Journalistennetzwerk „Forbidden Stories“ in dem Dossier „Rwanda Classified“ umfangreiche Berichte zu Repression, verdeckter Einflussnahme und Menschenrechtsverletzungen durch das ruandische Regime veröffentlicht und auch die Einschüchterung der ruandischen Diaspora und die gezielte Ermordung exilierter Kritiker dokumentiert.  

Jüngst geriet das Regime international erneut in die Kritik, weil es sich in Unterstützung der M23-Miliz im Ostkongo mit rund 4000 Soldaten der Rwanda Defense Forces (RDF) an den Kämpfen direkt beteiligte, die die territoriale Integrität der Demokratischen Republik Kongo gefährden und zu Tausenden von Toten, der Vertreibung von Millionen von Menschen sowie massiven Menschenrechtsverletzungen einschließlich der standrechtlichen Erschießung von Kindersoldaten und tausenden Fällen von konfliktbezogener sexueller Gewalt führten. Die kongolesische Regierung wirft Ruanda und der M23 vor, in den besetzten Gebieten Rohstoffe wie Gold und Coltan (ein für die Herstellung von Smartphones und Computern verwendetes Erz) abzubauen und auf dem internationalen Markt zu veräußern. Mehrere westliche Regierungen, unter anderem die Bundesregierung, setzten ihre Entwicklungshilfe für Ruanda aus, die EU verhängte im März 2025 Sanktionen. 

Fanproteste und Vereinspläne

Dies also ist der problematische und komplexe Sachverhalt, vor dessen Hintergrund große Fußballklubs dafür werben, das ostafrikanische Land zu besuchen. Die Reaktionen der organisierten Fanszenen fielen negativ aus. Am 23. Februar 2025 zeigte die Ultragruppierung „Munich’s Red Pride“ in der Südkurve während eines Bundesliga-Heimspiels ein Banner mit der Aufschrift: „Visit Ruanda – Wer gleichgültig zuschaut, liefert die Werte des FC Bayern aus!“ PSG-Fans starteten Ende Januar 2025 eine Online-Petition unter dem Titel „Schluss mit der Partnerschaft der Schande“, die von 75.000 Personen unterzeichnet wurde. Trotz Protesten und einer Fandemonstration vor dem Pariser Prinzenpark-Stadion verlängerte die PSG-Vereinsführung die „Visit Rwanda“-Vereinbarung im selben Monat um weitere drei Jahre. Während die Fanszene des dritten großen Vertragspartners, des FC Arsenal, mit großangelegten Protesten – einschließlich eines ironischen „Visit Tottenham“-Videos – Furore machten, legte die Regierung Kagame nach und nahm mit Atlético Madrid in diesem Sommer gleich den vierten europäischen Traditionsverein unter Vertrag. 

Nun fragt sich allerdings, warum sich Fußballvereine als Werbeträger für Autokraten verdingen und damit auch ihr eigenes Image gefährden. Unmittelbar nachdem die von der Fanszene des FC Bayern wegen der Menschenrechtslage kritisch kommentierte Partnerschaft mit Katar im Juni 2023 abrupt endete – und zwar offenbar von Seiten des Emirs aus, der Imageschäden (wie den Eklat bei der Jahreshauptversammlung der Bayern 2021) abwenden wollte und die Reißleine zog – wurde nahtlos ein Deal mit dem nächsten Diktator abgeschlossen.  

Am Geld dürfte es doch vermutlich nicht liegen. Die „Platin“-Partnerschaften des FC Bayern liegen bei 5 Mio. Euro aufwärts, und es wird kolportiert, dass der Ruanda-Deal dem Verein gut 6 Mio. Euro pro Jahr einbringen dürfte. Das ist nicht wenig Geld, reicht aber in etwa aus, um das Jahresgehalt von Konrad Laimer oder Raphaël Guerreiro zu bezahlen. Ob es das wohl wert ist, mit einer ostafrikanischen Diktatur in Verbindung gebracht zu werden?  

Wahrscheinlicher scheint es, dass internationale Marketingüberlegungen den Ausschlag gaben. Teil der Vereinbarung mit der ruandischen Regierung ist der Aufbau einer Fußballakademie, und neben der Verbreitung der Marke FC Bayern als „Teil einer Internationalisierungsstrategie“ gehe es auch um die Förderung des Jugendfußballs und einer möglichen Talentgewinnung für die eigene Mannschaft. Nun ist die Verbindung von Fußball und Entwicklungshilfe ein sinnvolles und hilfreiches Unterfangen, das zahlreiche deutsche Sportvereine und Organisationen dezentral und mit großem Engagement betreiben – auch in Ruanda. Der Unterschied ist allerdings, dass solche Projekte eben gerade nicht gemeinsame Sache mit der jeweiligen Regierung machen, sondern direkt in lokale Strukturen investieren. Weder propagandistisch noch finanziell profitieren die jeweils Regierenden als offizieller Partner.  

Das ist, wie die „Gunners for Peace“ des FC Arsenal auf den Punkt brachten, bei der „Visit Rwanda“-Kampagne anders, denn hier wird Sportbegeisterung und der gute Name eines Vereins durch Machthabende genutzt, „um sich einen Anschein von Seriosität zu verschaffen, den sie nicht verdienen.“ Dieses Sportswashing ähnle, so Sarath K. Ganji, Fellow des National Endowment for Democracy, „einer Nebelwand, einem Dunst aus aufkommenden Geschichten, die konkurrierende Nachrichtenwerte ausnutzen, um die Berichterstattung über andere Ereignisse zu verschleiern.“ Diese Informationskonkurrenz könne negative Nachrichten diskreditieren oder verdrängen, um „alternative Perspektiven“ zu plakatieren und bediene sich aus einem Pool von positiv besetzten Personen wie aktuellen und ehemaligen Fußballstars, die als vermeintlich unpolitische Influencer zum positiven Imageaufbau beitragen. 

Dass Machthaber in Staaten wie Katar oder Ruanda ihr Image aufpolieren wollen, um mehr Investitionen anzulocken oder die eigene geopolitische Position zu verbessern, ist nachvollziehbar. Irritierend hingegen ist bei den europäischen Partnern, mit welcher geschäftsmäßigen Nüchternheit menschenrechtspolitische Verstöße wortwörtlich in Kauf genommen werden und wie Kritik daran in einer Mischung aus Negation und Relativierung zurückgewiesen wird. Schon beim umstrittenen Katar-Werbevertrag hielt Ehrenpräsident Uli Hoeneß auf der Jahreshauptversammlung den Kritikern entgegen, dies sei „der Fußballclub Bayern München und nicht die Generalversammlung von Amnesty International“, während Präsident Herbert Hainer versicherte, man wolle auch versuchen, „gesellschaftspolitisch etwas zu bewirken und die Reformkräfte zu stärken.“ Auch beim Ruanda-Deal betonte der Vorstandsvorsitzende Jan-Christian Dreesen, die Vereinsführenden seien „keine Altruisten, die in die Welt hinausgehen und nur Gutes tun,“ reagierte aber im Februar 2025 auf die wachsende Kritik mit der Verlautbarung, er habe zwei seiner Mitarbeiter nach Ruanda entsandt, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Aktuell deutet nichts auf ein neues Meinungsbild oder eine Hinterfragung des Sponsoringdeals von Vereinsseite aus hin. 

Spiegelbild Sportswashing

Die von den Vereinsführungen in London, Madrid, München und Paris vermittelte Normalität einer solchen Geschäftsbeziehung stellt damit – mehr als alle Banden- und Trikotwerbung – den eigentlichen Erfolg des Sportswashing dar. An diesem Punkt wird eine moralische Fragestellung – ob man es mit dem eigenen Gewissen, der Fankultur sowie der Vereinsreputation vereinbaren kann, Werbung für ein repressives und außenpolitisch aggressives Regime zu machen – zu einem politischen Thema. Denn die Abkopplung von „normalen“ diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen von normativen menschenrechtspolitischen Erwägungen ist ein wesentliches Argumentationsmuster der ruandischen Außenbeziehungen.  

Zum Beispiel in der Entwicklungspolitik. Hier ist Ruanda seit vielen Jahren ein bevorzugtes Partnerland, dem positive Attribute wie Effizienz und erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung zugeschrieben werden, während Demokratiedefizite in den Hintergrund rückten. Es sind aber eben diese Demokratiedefizite, die effizientes Regieren beeinträchtigen. „Die politische Steuerungsfähigkeit in Ruanda folgt einem dirigistischen Entwicklungsansatz mit klientelistischen Zügen,“ so das BTI-Ländergutachten, bei dem „ein gewisses Maß an Vetternwirtschaft unvermeidbar ist.“ Mehr noch, auch die Entwicklungserfolge sind in den vergangenen Jahren mehrfach relativiert worden. Angeblich sinkende Armutsraten stellten sich als unzutreffend und möglicherweise manipuliert heraus, deren Korrektur allerdings, so ein beteiligter Wissenschaftler, allseits nicht erwünscht gewesen sei: „Geber und Empfänger sind aufeinander angewiesen. Geber brauchen ‚Erfolgsgeschichten‘, Empfänger brauchen Geld, und keiner will Wellen schlagen. 

Zum Beispiel bei internationalen Veranstaltungen. Neben zahlreichen prestigeträchtigen Events im Sport (Straßenrad-Weltmeisterschaften im September 2025) und in der Sportpolitik (FIFA-Kongress im März 2023) war Ruanda im Juni 2022 auch Gastgeber für das Treffen der Staatschefs der Mitgliedsländer des Commonwealth. Zahlreiche Kommentare verurteilten die Entscheidung, die Veranstaltung in Kigali stattfinden zu lassen, als „Farce“ und argumentierten, das Treffen werde „die in der Charta des Commonwealth verankerten Verpflichtungen zu Demokratie, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit ad absurdum führen.“ Auch wenn die Menschenrechtsthematik nicht komplett abgekoppelt werden konnte, gelang dem Regime eine weitgehende Ausblendung der „heiklen Themen.“ 

Zum Beispiel in der Migrationspolitik: Politische Führungskräfte europaweit erwägen auch nach dem Urteil des Obersten Gerichts des Vereinigten Königreichs vom November 2023 und dem darauffolgenden Ende der britischen Deportationspläne, Flüchtlinge in das von Armut und Ungleichheit geprägte, übervölkerte und repressive Ruanda abzuschieben. Auch hier bietet sich dem ruandischen Regime die Möglichkeit, Sicherheit, Effektivität und Normalität zu suggerieren. In diesem Kontext erhält der Slogan „Visit Rwanda“ – in der Aushebelung des individuellen Rechts auf Asyl in Europa, in der Auslagerung von Integrationsproblemen in ärmere Staaten und in der Ausblendung von Demokratiedefiziten und Menschenrechtsverletzungen – noch einmal einen anderen, zynischeren Klang.  

Sportswashing fügt sich nahtlos in solche Muster von Verharmlosung und Relativierung ein und trägt maßgeblich zu deren Gelingen bei. Somit resultiert ironischerweise auch aus den Deals europäischer Fußballvereine ein Produkt, das sich andere europäische Partner dann besser verkaufen können. Eine solche, zirkulär angelegte Imagepflege hält insofern auch unseren europäischen Gesellschaften den Spiegel vor. Wenn wir bereit sind, weniger Demokratie für mehr Effizienz und wirtschaftlichen Nutzen zu akzeptieren, gilt dies dann nur auswärts, oder auch bei Heimspielen? In beiden Fällen weicht Sportswashing die eigene normative Position auf und trägt damit zur Demokratieerosion auch in Europa bei. 

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