©
Seit 1982 im Amt: Kameruns Präsident Paul Biya, hier mit dem damaligen US Präsidenten Ronald Reagan. Series: Reagan White House Photographs, 1/20/1981 – 1/20/1989 / Collection: White House Photographic Collection, 1/20/1981 – 1/20/1989 / Wikimedia Commons – Public Domain (CC0)

Kamerun vor den Präsidentschaftswahlen: Paul Biya zementiert die Scheindemokratie

Bei den Wahlen in Kamerun am 12. Oktober strebt Präsident Paul Biya, der älteste Staatschef der Welt, nach 43 Jahren an der Macht eine weitere Amtszeit an. Die demokratischen Institutionen hat Biya längst allerdings längst ausgehöhlt, die Opposition ins Abseits gedrängt und Proteste zum Verstummen gebracht. Was bleibt, ist der Anschein von Demokratie – und ein Gang zur Urne, der mehr Ritual als Recht ist.

Im Juli 2022 wurde Kameruns Präsident Paul Biya während eines Staatsbesuchs seines französischen Amtskollegen Emmanuel Macron gefragt, ob er eine weitere Amtszeit anstreben würde. „Ich habe noch drei Jahre vor mir… und wenn die Zeit gekommen ist, werde ich entscheiden, ob ich mich aufs Land zurückziehe oder nicht“, antwortete er und wich damit der Frage nach seiner politischen Zukunft aus. Drei Jahre später ist seine Entscheidung klar: Anstatt seine Koffer zu packen und seinen Lebensabend in seinem Heimatdorf Mvomeka’a im Süden des Landes ausklingen zu lassen, wird der mittlerweile 92-jährige Biya in der Hauptstadt Yaoundé bleiben und sich einmal mehr um das Amt des Präsidenten bewerben.

Damit findet sich Kamerun kurz vor der Präsidentschaftswahl am 12. Oktober in einer politischen Lage wieder, mit der das Land nur allzu vertraut ist. Solange Biya, der älteste Staatschef der Welt, atmet, regiert er. Bedenken über seine Gesundheit, sein Alter und sein Vermächtnis werden – so wie üblich – werden erneut unter den Teppich gekehrt. Die eigentliche Geschichte ist aber ohnehin nicht Biyas Streben nach noch mehr Macht, das kaum mehr überraschen kann. Vielmehr sind es die systematische Zerschlagung der Opposition und die Unterwanderung der demokratischen Institutionen, die aufhorchen lassen sollten.

43 Jahre – und kein Ende in Sicht

Biyas Präsidentschaft ist seit 1982 ununterbrochen und beruht auf einer delikaten Mischung aus autokratischer Machtpolitik, Vetternwirtschaft und Tribalismus. In mehr als vier Jahrzehnten hat er seine Rivalen ausmanövriert, demokratische Institutionen ausgehöhlt und dafür gesorgt, dass jeder Weg zur Macht – egal ob legitim oder nicht – über ihn führt. Auch im Jahr 2025 scheint sich an dieser Strategie nichts geändert zu haben. Die Wahlausschluss von Maurice Kamto, Biyas ehemaligem Verbündeten, Hauptkonkurrenten und Zweitplatzierten bei den umstrittenen Wahlen von 2018, steht einmal mehr symbolisch für die Politik eines Regimes, das politische Verfahren und juristische Prozesse zu Waffen gemacht hat, mit denen es seine Gegner terrorisiert.

Kameruns Wahlkommission – die eigentlich unabhängig sein sollte, aber in Wirklichkeit von Biyas Vertrauten verwaltet wird – begründete Kamtos Disqualifizierung mit „mehrfachen Kandidaturen“ der Partei MANIDEM, die ihn nominiert hatte. Die Entscheidung sorgte sofort für massive Kritik, insbesondere von Human Rights Watch. Die Entscheidung, Kamto von der Wahl auszuschließen, spiegele die Intoleranz der Regierung gegenüber jeglicher Opposition und Meinungsverschiedenheit wider, so Vertreter der Organisation. Beobachter rechneten sogar damit, dass das Urteil der Kommission Unruhen in Großstädten wie Douala und Yaoundé auslösen könnte. Doch Biyas Regierung wusste das schon im Vorfeld zu verhindern, indem sie auf altbewährte Mittel zurückgriff: den präventiven Einsatz von Bereitschaftspolizei und die Zerschlagung von Versammlungen mit Tränengas und Verhaftungen im Namen der Stabilität.

Razzien und Manipulation

Dabei ist „Stabilität“ im aktuellen Kontext ein zutiefst irreführender Begriff, verschleiert er doch vor allem den bereits weit vorangeschrittenen Verfall der bürgerlichen Freiheiten, die Unterdrückung politischer Dissidenten und den Mangel an politischem Willen, das Wahlsystem zu reformieren. Wie der Bertelsmann Transformation Index (BTI) 2024 zeigt, entwickelt sich Kamerun in Bereichen wie der demokratischen Staatsführung, der politischen Partizipation, der Rechtsstaatlichkeit und der politischen und sozialen Integration seit 2014 konstant zurück. Mittlerweile fällt das Land klar in die Kategorie „Autokratie“.

Dazu passt, dass die Regierung im März 2024 zwei Plattformen der Oppositionskoalition verboten hat – die Alliance Politique pour le Changement und die Alliance pour la Transition Politique. Der Vorwurf: Sie sollen sich „unrechtmäßig“ zusammengeschlossen haben. Der tatsächliche Grund ist jedoch viel einfacher: Indem Biya die Koordinierungsbemühungen der anderen Parteien torpediert, verhindert er die Entstehung einer geeinten Oppositionsfront.

Unterdessen dominiert die regierende Cameroon People’s Democratic Movement (CPDM) weiterhin die politische Landschaft – und baut das System so um, wie es ihr zum Vorteil gereicht. Die letztjährige Entscheidung, die ursprünglich für dieses Jahr geplanten Parlaments- und Kommunalwahlen auf 2026 zu verschieben, ist ein weiteres eklatantes Beispiel dafür. Als offizielle Begründung gab die Regierung an, man wolle den Wahlkalender entlasten. Kritiker vermuten jedoch, dass damit vor allem die Kandidatur von Oppositionspolitiker Kamto verhindert werden sollte, dessen Partei laut Wahlrecht zunächst in Gemeinderäte gewählt werden muss, um einen offiziellen Präsidentschaftskandidaten aufstellen zu können.

Die Opposition ist zersplittert, aber es gibt neue Hauptdarsteller

Die Opposition in Kamerun hat zahlreiche Vertreter, bleibt aber zersplittert. Politische Persönlichkeiten wie Cabral Libii, Joshua Osih, Serge Espoir Matomba, Patricia Tomaïno Ndam Njoya und Akere Muna konnten sich nicht auf eine gemeinsame Plattform einigen, obwohl einige von ihnen bereits zurückgetreten sind, um neue Kooperationswege freizumachen. Regionale Rivalitäten, ideologische Differenzen und Misstrauen – teilweise geschürt durch das Biya-Regime – machen eine effektive Koordination nahezu unmöglich. Stattdessen beschränkt sich die Wirkung der politischen Gegenbewegung auf symbolische Proteste und Empörung in den sozialen Medien.

Ganz hoffnungslos ist die Lage allerdings nicht, denn: auch die Risse auf Regierungsseite werden immer größer. Erst kürzlich haben zwei prominente Verbündete Biya den Rücken gekehrt: Issa Tchiroma Bakary und Bello Bouba Maigari. Die beiden ehemalige Kabinettsmitglieder und langjährigen Regierungsmitarbeiter haben angekündigt, selbst für das Amt des Präsidenten kandidieren zu wollen. Ihr Austritt aus dem Bündnis mit der CPDM ist nicht nur ein Akt der Auflehnung, sondern auch ein Signal dafür, dass sich die Lage im Norden des Landes, aus dem Bakary und Maigari kommen, möglicherweise verändern wird. Zwar haben die beiden Kandidaten gegen Biya kaum eine Chance, dass sie überhaupt erst bei der Wahl antreten wollen, steht jedoch sinnbildlich für eine wachsende Ungeduld innerhalb ihrer Kreise und der breiteren Elite des Landes – insbesondere unter denjenigen, die unter Biya ins Abseits gedrängt wurden.

Maximale Unsicherheit

Unterdessen hat das unerbittliche Vorgehen der Regierung außerhalb von Yaoundé weiterhin tödliche Folgen. In den englischsprachigen Regionen im Nordwesten und Südwesten des Landes befinden sich bewaffnete Separatisten und Regierungstruppen in einem brutalen Konflikt, der bereits über 6.000 Menschen das Leben gekostet und fast eine Million Menschen vertrieben hat. Tausende sind gestorben, Schulen bleiben geschlossen und der Zugang für humanitäre Hilfe ist eingeschränkt. Im hohen Norden greifen Boko-Haram-Rebellen weiterhin Zivilisten und Sicherheitskräfte an. Diese Krisen haben nicht Menschenleben zerstört, sondern wurden von Biya auch dazu genutzt, Wählerstimmen in den Konfliktgebieten zu unterdrücken, in denen es um seine Beliebtheit nicht gut bestellt ist. Je länger die Waffengewalt dort andauert, wo die Opposition am stärksten ist, desto weniger Menschen werden letztlich zur Wahlurne gehen können.

Und auch eine ganze anderer Problemherde werden von der Regierung geflissentlich ignoriert, so wie etwa die Inflation, die alarmierend hohe Jugendarbeitslosigkeit die massive Armut, die mittlerweile rund 40 Prozent der Bevölkerung betrifft. Das Durchschnittsalter in Kamerun liegt bei nur achtzehn Jahren. Doch in der Politik haben vor allem Siebzig- und Achtzigjährigen das Sagen, die für die Frustrationen der jüngeren Generationen nichts übrigen haben.

Das Tor zur Macht ist verschlossen

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die kamerunische Jugend mittlerweile einen wichtigen Teil des Widerstands gegen Biya ausmacht. Dazu zählen Jugendliche, die ihre Kritik an der Regierung in sozialen Medien zum Ausdruck bringen und Studenten, die Diaspora-Proteste anführen. Ein echter politsicher Effekt innerhalb Kameruns bleibt jedoch aus, auch weil das Biya-Regime die Kunst der Abschreckung perfektioniert hat. Laut Freedom House ist mittlerweile selbst die moderarte Opposition verstummt, weil Verhaftungen, Folter und die Anwendung eines umstrittenen Anti-Terror-Gesetzes aus dem Jahr 2014 an der Tagesordnung sind. Und auch die kamerunische Medienlandschaft ist längst nur noch ein Schatten ihrer selbst. Wie das Komitee zum Schutz von Journalisten feststellt, sind kamerunische Journalisten massiver Zensur, Einschüchterung und Inhaftierung ausgesetzt. Nicht umsonst zählt Kamerun seit Jahren zu den Ländern mit der geringsten Pressefreiheit weltweit.

Die internationale Gemeinschaft bleibt derweil trotzdem passiv. Frankreich unterhält als ehemalige Kolonialmacht enge wirtschaftliche und militärische Beziehungen zu Kamerun, während Institutionen wie die Weltbank, der Internationale Währungsfonds und die Afrikanische Union kaum mehr als zurückhaltende Erklärungen abgeben und – genauso wie viele westliche Regierungen – eine direkte Konfrontation mit Yaoundé vermeiden. Viele fürchten, dass Kamerun sein Engagement bei der Terrorismusbekämpfung in der Region einstellen könnte, sollte man allzu viel Druck auf Biya ausüben. Mit dieser Haltung unterstützt der Westen stillschweigend ein Regime, das demokratische Normen missachtet.

Ein Land ohne Zukunft

Biyas Herrschaft ist so weiter unumstößlich – allerdings nicht nur wegen westlicher Duldung und heimischer Unterdrückungsmethoden, sondern auch, weil das Regime die Illusion der Legitimität aufrechterhält. Kamerun veranstaltet regelmäßig Wahlen. Kamerun unterhält ein Mehrparteiensystem. Kamerun verfügt über einen Verfassungsrat und eine Wahlkommission. Doch all das ist nur die schöne Kulisse. Tatsächlich führt in Kamerun längst jeder gangbaren Weg zur Macht durch ein Tor, das Biya verschlossen hat.

Der Präsident ist – so alt und gebrechlich er auch sein mag – noch längst kein Relikt einer vergangenen Ära, sondern der Architekt eines Systems, das ihn überdauern soll. Sein wahres Vermächtnis könnte die institutionelle Lähmung sein, die er über das Land gebracht hat. Wenn die Opposition keinen Weg findet, sich zusammenzuschließen, dann wird diese Lähmung nicht aufzuhalten sein. Der demokratische Raum wird weiter schrumpfen und auch Biyas achte Amtszeit könnte nicht seine letzte sein.

 

Erschienen in Kooperation mit Global South World.

Verwandte Inhalte: In Cameroon elections, anyone but the 42-year Biya regime

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert