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Zeran Power Station, Poland. Photo by Adrian Grycuk via commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 pl

Polens schwieriger Balanceakt

Die Stakeholder des Pariser Klimaabkommens kommen in Polen zusammen, um den zeitlichen Rahmen für den weltweiten Kampf gegen den Klimawandel festzulegen. Wie wird Polen mit seiner starken Kohleindustrie dem internationalen Drängen auf Kohleausstieg begegnen?

Von 3. bis 14. Dezember ist Polen Gastgeber der UN-Klimakonferenz COP24. Auf dieser Konferenz der Stakeholder des Pariser Klimaabkommens werden die Weichen für die globale Klimapolitik der kommenden Jahre gestellt. Der Gipfel findet symbolträchtig in Kattowitz, im Herzen von Polens Bergbauregion Oberschlesien, statt. Hier, wo hart um ein Ergebnis verhandelt werden wird, das die Erderwärmung begrenzen kann, zeigt sich auch, was für Polen auf dem Spiel steht. Das Land ist eine Industriemacht und war lange stark von Kohle abhängig. Zwei so unterschiedliche Interessen ins Gleichgewicht zu bringen, wird für Polen nicht einfach werden. Gleichzeitig eröffnet sich mit dem Klimagipfel für das Land die Möglichkeit, internationale Reputation zurückzugewinnen, die durch die jüngsten Konflikte mit der EU sowie eine lauter werdende nationalistische Rhetorik und das wiederholte Verletzen demokratischer Standards in Mitleidenschaft gezogen wurde.

An der Kohle, aus der 80 Prozent des polnischen Stroms produziert wird und die einen Anteil von rund 50 Prozent am Gesamtenergieverbrauch Polens hat, entzündet sich der klimapolitische Konflikt des Landes. Aufgrund der großen Vorliebe für diesen fossilen Energieträger weist Polens Energiemix im europäischen Vergleich die geringste Streuung auf verschiedene Energiequellen auf. Die Regierung setzt nach eigenen Angaben weiter auf Kohle als Hauptquelle für die Stromproduktion: Auch im Jahr 2050 soll noch 50 Prozent des Stroms aus Kohle entstehen. Zusammen mit den 80.000 Beschäftigten der Kohleindustrie setzen diese Zahlen den Rahmen für die polnische Debatte über Energie- und Klimapolitik.

Im Länderbericht Polen 2018 des Bertelsmann Transformation Index (BTI) heißt es: „Dass Wirtschaftswachstum wichtiger ist als der Schutz von Mensch und Umwelt, darüber herrscht ein breiter politischer Konsens.“ Längst ist die stark subventionierte, nicht wettbewerbsfähige polnische Kohleindustrie kein Hauptwirtschaftszweig mehr wie noch zu kommunistischen Zeiten, als man sehr stolz auf sie war. Doch jeder Versuch einer Richtungsänderung wird von der mächtigen Kohle-Lobby und der Struktur des Energiesektors sowie dem Damokles-Schwert drohender sozialer Konflikte, zunichte gemacht . Auf diese Weise gerät Polen auch in Konflikt mit den klimapolitischen Interessen der EU, die einen Ausstieg aus der Kohle vorantreiben will.

Anstieg des CO2-Fußabdrucks

Zwar hat Polen seinen Kohlendioxidausstoß seit 1988 um 30 Prozent gesenkt und damit seine Kyoto-Zusagen noch übertroffen, doch das wurde hauptsächlich mit der Schließung alter Fabriken zwischen 1988 und 1990 erreicht. In den letzten vier Jahren sind die Emissionen dagegen wieder gestiegen. Dennoch wird Warschau die Zielvorgaben der EU für die Verringerung von Treibhausgasen bis 2020 erreichen. Mit der Richtung der EU-Klimapolitik ist man in Polen aber nicht einverstanden und schon gar nicht mit der Idee des Kohleausstiegs.

In diesem Zusammenhang ist es kürzlich zu Spannungen über die Energieunion gekommen. Der Anstoß zu diesem Projekt kam ursprünglich aus Polen und wurde vom damaligen Premierminister Donald Tusk eingebracht. Nach Ansicht der heutigen polnischen Regierung hat sich die Energieunion jedoch weit von ihren ursprünglichen Zielen fortbewegt und verfolgt heute immer mehr klimapolitische Ziele, darunter den Ausstieg aus der Kohle. Warschau kritisierte vor allem das sogenannte Winterpaket der Europäischen Kommission, das Maßnahmen zum Strommarktdesign und die Grundzüge einer Reform des EU-Emissionshandelssystems vorschlug, über die im Februar 2017 Einigkeit erzielt wurde. Vorgesehen war, die Gebühren für CO2-Emissionen anzuheben und so einen wirtschaftlichen Anreiz für den Kohleausstieg zu geben. Polen stellte die Rechtsgrundlage der Verordnung und anderer Entscheidungen, die für die polnische Kohleindustrie negativ waren, infrage. Warschau argumentierte, dass der schnelle Ausstieg aus der Kohle einen grundlegend anderen Energiemix erforderlich mache. Nach den EU-Verträgen sei die Entscheidung über den Energiemix jedoch eine Angelegenheit der Mitgliedsstaaten. Im Juni 2018 wies der Europäische Gerichtshof die Klage Polens zurück.

Wind- und Solarenergie werden ignoriert

Statt dem Kohleausstieg befürwortet Polen die Idee der „Klimaneutralität“ der Energiequellen. Das zeigt sich in dem kürzlich publizierten Vorschlag einer Ökologischen Strategie Polens, der den Ausstieg aus der Kohle überhaupt nicht thematisiert. Mit anderen Worten: Man glaubt die Klimaziele allein durch den Einsatz emissionsarmer Technologien sowie durch Kompensationen für CO2-absorbierende Waldregionen erreichen zu können, ohne die Kohle auch nur anfassen zu müssen. Obwohl die Regierung auch darauf abzielt die Erneuerbaren zu fördern, werden in dem Papier nur Biogas, Wasser und Geothermik erwähnt. Erstaunlich ist, dass weder Windenergie noch Solarenergie als Schwerpunkte genannt werden.

Im Vorfeld der COP24 legt Polen großen Wert auf die nationale Souveränität bei der Frage, wie Emissionen reduziert werden sollen. Ein anderer wichtiger Punkt, der erreicht werden soll, ist eine höhere Anerkennung von Waldregionen als Beitrag zu den weltweiten Bemühungen gegen den Klimawandel. Polen stellt sich gegen die „Anti-Kohle-Lobby“, die der Ansicht ist, dass die Klimaziele nicht erreicht werden können, ohne Kohle aus dem Energiemix zu verdrängen. Da die Europäische Union auf dem Klimagipfel mit nur einer Stimme spricht, findet die wahre Schlacht innerhalb der Gemeinschaft statt. Es geht um gegensätzliche Standpunkte über die Höhe der Reduzierung, auf die sich die EU verpflichten wird. Während die Kommission 45 Prozent Reduktion bis 2045 favorisiert – statt der gegenwärtigen 40 Prozent –, macht sich die polnische Regierung zum Vorreiter der Opposition. Europa solle sich nicht mit weitergehenden Zusagen unter Druck setzen, solange nicht andere Regionen und Kontinente auch ihre Verantwortung erkennen, denn nur dann lasse sich wirklich etwas erreichen. Der polnische Vize-Energieminister Grzegorz Tobiszowski sagte kürzlich, die Gespräche auf der COP24 drohten zur Zerreißprobe für die verschiedenen Einstellungen zur Kohle zu werden. Die polnische Regierung wird beweisen müssen, dass ihre ureigenen Interessen ihrer Rolle als ehrlichem Vermittler eines dringend benötigten Abkommens nicht im Wege stehen.

 

zuerst erschienen in der taz vom 29.11.2018, S. 12

aus dem Englischen übersetzt von Karola Klatt

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