Wahlen in Ecuador: Gefangen zwischen Polarisierung und Eskalation der Gewalt
Die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahl 2025 in Ecuador haben eine tiefe politische Spaltung offenbart. Das knappe Rennen zwischen dem amtierenden Präsidenten Daniel Noboa und der Herausforderin Luisa González sorgt für eine spannende Stichwahl am 13. April. Der Ausgang der Wahl wird entscheidend für die Zukunft Ecuadors sein, das darum ringt, die eskalierende Bandengewalt und organisierte Kriminalität unter den Bedingungen institutioneller Instabilität und einer zunehmend gespaltenen Wählerschaft einzudämmen.
Ecuadors politische Landschaft wurde durch den Aufstieg der linksgerichteten Luisa González in der ersten Wahlrunde neu geformt. Obwohl einige Umfragen vor der Wahl den Amtsinhaber Daniel Noboa aus dem rechten Lager favorisierten, zeigt die fast gleichmäßige Aufteilung von nahezu 90 Prozent der Wählerschaft zwischen den beiden Kandidaten eine tiefe Polarisierung. Die Spannungen dürften zunehmen, da die neu gewählte Nationalversammlung diese parteipolitische Zersplitterung widerspiegelt und keiner der beiden Kandidaten in der Lage ist, eine parlamentarische Mehrheit hinter sich zu bringen.
Bisher hat Noboas Regierung versucht, die Exekutivmacht zu festigen, indem sie die zersplitterte Legislative häufig durch Dekrete und fragwürdige rechtliche Manöver umgangen hat. Sollte er im Amt bleiben, würden seine Bemühungen zur Machtzentralisierung wahrscheinlich auf erheblichen Widerstand stoßen, und seine Fähigkeit zu regieren würde weiter auf die Probe gestellt. Diese drohende politische Blockade, gepaart mit eskalierenden Sicherheitsproblemen, könnte die Regierungsführung in Ecuador in den kommenden Jahren erheblich belasten.
Staat kämpft mit zunehmender Bandengewalt
Vor weniger als zwei Jahren, im August 2023, wählten die Ecuadorianer Daniel Noboa, um die vorgesehene Amtszeit des damaligen Präsidenten Guillermo Lasso zu vollenden, der die Nationalversammlung aufgelöst und vorgezogene Neuwahlen ausgerufen hatte. Eine tiefe politische Krise zwischen Legislative und Exekutive, die von Korruptionsfällen um hochrangige Beamte begleitet wurde, führte zur Anwendung dieses außergewöhnlichen Mechanismus.
Der Wahlkampf 2023 war von Gewalt, Drohungen und vor allem der Ermordung des Präsidentschaftskandidaten Fernando Villavicencio überschattet. All dies folgte auf einen alarmierenden Anstieg der organisierten Kriminalität und Gewalt in den vorausgegangenen Jahren. Die Mordrate des Landes stieg von 6 pro 100.000 Einwohner im Jahr 2018 auf erschreckende 47 im Jahr 2023. Diese Entwicklung wurde angetrieben durch die Ausbreitung transnationaler krimineller Organisationen wie mexikanischer und albanischer Drogenkartelle sowie durch die Umstrukturierung der Kokainhandelsrouten nach Europa. Diese kriminellen Gruppen infiltrierten Gefängnisse, korrumpierten Gerichte und stifteten lokale Regierungen zur Geldwäsche an, wodurch die Autorität des Staates untergraben und ein Kreislauf aus Straflosigkeit, Gewalt und institutionellem Verfall angeheizt wurde.
Dies verdeutlicht der Bertelsmann Transformation Index (BTI), der Ecuador im Jahr 2024 für das staatliche Gewaltmonopol 7 von möglichen 10 Punkten verlieh – ein Rückgang gegenüber 9 Punkten im Jahr 2020. Dieser Abstieg spiegelt die schwindende Kontrolle des Staates über die Sicherheitslage wider und positioniert Ecuador unterhalb regionaler Nachbarn wie Uruguay und Argentinien. Selbst Länder wie Kolumbien und Mexiko, die eine lange Geschichte organisierter Kriminalität haben, schneiden nur geringfügig schlechter ab.
Die Übergangsregierung Noboas hat darauf reagiert, indem sie militärische Kräfte in Unruhegebieten einsetzte, Notstandsdekrete erließ und die Präsenz von Polizei und Armee sowie Überwachungsmaßnahmen verstärkte. Der Präsident erklärte zudem einen „inneren bewaffneten Konflikt“ und stufte mehr als 20 kriminelle Banden als terroristische Organisationen ein. Angesichts der anhaltenden Gewalt und der Abhängigkeit der Regierung von Notstandsmaßnahmen wird jedoch erwartet, dass die Indikatoren der Staatlichkeit bzw. die Fähigkeit, staatliche Kontrolle auf dem gesamten Territorium auszuüben, weiter unter Druck geraten.
Während der Einsatz des Militärs zur Sicherung der Gefängnisse und die verstärkte Polizeipräsenz in Hochkriminalitätsgebieten kurzfristig gewisse Erfolge brachten, gibt es andererseits Bedenken hinsichtlich möglicher Menschenrechtsverletzungen und der Aushöhlung demokratischer Kontrolle. Kritiker warnen, dass eine zunehmende Militarisierung die Gewaltspirale eher verschärfen könnte, anstatt die strukturellen sozioökonomischen Ursachen der Kriminalität zu beseitigen.
Die zentrale Frage bleibt: Kann die nächste ecuadorianische Regierung eine nachhaltige Sicherheitsstrategie umsetzen, die Strafverfolgung mit institutionellen Reformen in Einklang bringt?
Unterschiedliche Sicherheitsstrategien und politische Ausrichtungen
Ob das Land den harten Kurs Noboas fortsetzt oder sich González’ Strategie zur Kriminalprävention zuwendet, die sich an sozioökonomischen Ursachen orientiert, entscheidet sich bei der Wahl am 13. April.
Luisa González, ehemalige Abgeordnete der linken Partei Bürgerrevolution (Movimiento Revolución Ciudadana) und Schützling des im Exil lebenden Ex-Präsidenten Rafael Correa, tritt mit dem Versprechen an, die Sozialpolitik und das Wirtschaftsmodell der Correa-Regierung (2007–2017) wiederzubeleben. González hat angekündigt, Subventionen auszuweiten, den staatlichen Einfluss auf die Wirtschaft zu stärken und die Ursachen der Gewalt durch soziale Investitionen zu bekämpfen. Zudem will sie die Sicherheitsstrategie des Landes neu ausrichten, indem sie Einrichtungen aus der Correa-Ära reaktiviert, wie z. B. Bürger-Versammlungen, die polizeiliche Maßnahmen koordinieren und überwachen.
Allerdings bleiben ihre Vorschläge zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität vage. Dies hat unterschiedliche Interpretationen und Kritik ausgelöst. Einige sehen in ihrer Kandidatur eine Rückkehr des „Correismo“ – eines autoritären Regierungsstils, bei dem die unabhängigen Staatsgewalten unter die Kontrolle der Exekutive geraten könnten.
Was passiert nach der Stichwahl in Ecuador?
Die Sicherheitskrise und der Umgang des Staates mit derselben haben die ohnehin schwächelnde Wirtschaft des Landes erschüttert, wodurch ausländische Investitionen und die Beschäftigungsquote auf besorgniserregende Werte gesunken sind. Diese Entwicklung hat die sozialen Probleme des Landes weiter verschärft.
Bleibt Noboa an der Macht, wird seine Regierung voraussichtlich den rigiden Sicherheitskurs fortsetzen und zugleich wirtschaftliche Reformen anstreben. Allerdings könnte sein Plan, ausländisches Kapital anzulocken, angesichts wachsender Sorgen über demokratischen Rückschritt, institutionelle Einschränkungen und der anhaltenden Bedrohung durch organisierte Kriminalität auf erhebliche Hürden stoßen.
Ein Sieg von González hingegen würde wohl einen Kurswechsel hin zu höheren Sozialausgaben, einer Neuausrichtung der Sicherheitsstrategie und einer stärkeren staatlichen Lenkung bedeuten. Doch auch ihre Regierung stünde vor großen Herausforderungen – nicht nur wegen des Einflusses krimineller Netzwerke, sondern auch wegen des starken Widerstands im Parlament.
Unabhängig vom Wahlausgang wird die nächste Regierung Ecuadors mit wirtschaftlicher Stagnation, steigender Staatsverschuldung und einer tief gespaltenen politischen Landschaft konfrontiert sein. Sie wird unter dem Druck stehen, das öffentliche Vertrauen wiederherzustellen, die organisierte Kriminalität einzudämmen und gleichzeitig demokratische Institutionen zu stärken. Gleichzeitig muss sie politische Stabilität befördern und internationale Kooperationen für langfristige Sicherheit eingehen. Die kommenden Monate werden entscheiden, ob Ecuador zu einer stabileren Regierungsführung findet oder weiterhin von internen Konflikten geplagt bleibt.
Erstveröffentlichung auf Latinoamérica21 (L21)