Subsahara-Afrika: Pandemie sinkender Bildungschancen für Mädchen
Der Welt-Mädchentag macht darauf aufmerksam, dass durch die Folgen der COVID-19-Pandemie die Bildungschancen viele Mädchen in Subsahara-Afrika in Gefahr sind. Die geschlechtsspezifische Ungleichheit im Bildungsbereich wird insbesondere durch die deutliche Zunahme von Teenager-Schwangerschaften verstärkt. Diese ist häufig mit einer höheren Schulabbruchquote bei Mädchen verbunden.
Die Schulbildung – eine Grundvoraussetzung für sozioökonomische Entwicklung – ist stark von den Auswirkungen der Corona Pandemie betroffen. Leere Klassenzimmer, aufgrund krisenbedingter Schulschließungen und Lockdowns, drohen die bestehende Bildungsungleichheit zwischen Mädchen und Jungen weiter zu verstärken. Dieser Trend ist in der ohnehin schon von großer Ungleichheit charakterisierten Region Subsahara-Afrika besonders ausgeprägt. Schon vor der Pandemie wurde von der UNESCO geschätzt, dass weltweit neun Millionen Mädchen im Grundschulalter wahrscheinlich nie ein Schulgebäude betreten werden, im Vergleich zu drei Millionen Jungen. Vier dieser neun Millionen leben in Subsahara-Afrika. Da der Anteil der Mädchen an der afrikanischen Bevölkerung dort im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch ist, ist es für eine bessere Zukunft für die Mädchen und ihre Gesellschaften besonders wichtig, ihnen Bildungschancen zu ermöglichen.
Teenagerschwangerschaften bedrohen diese Bildungschancen erheblich. Schon vor der Pandemie hatten die Länder in Subsahara-Afrika die höchsten Geburtenraten unter Jugendlichen weltweit. Zwar ist diese seit 2010 rückläufig, doch drohen die pandemiebedingten Störungen des wirtschaftlichen und sozialen Lebens diese Fortschritte zunichte zu machen. Teenagerschwangerschaften haben negativen gesundheitlichen Folgen für die Mädchen in der Form eines erhöhten Risikos der Mütter- und Kindersterblichkeit und beeinträchtigen die wirtschaftliche Emanzipation von Mädchen sowie ihre Teilnahme an Bildungsangeboten.
Seit Beginn der Pandemie ist die Zahl der Teenagerschwangerschaften erheblich gestiegen. So haben beispielsweise sechs Länder der Southern African Development Community (SADC) – Lesotho, Madagaskar, Malawi, Namibia, Sambia und Simbabwe – eine höhere Anzahl an Teenagerschwangerschaften zu verzeichnen. Auch in der bevölkerungsreichsten Provinz Südafrikas, Gauteng, ist die Zahl der Teenagerschwangerschaften seit Beginn der Pandemie um 60 Prozent gestiegen.
Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für Mädchen
Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben das Potenzial sich negativ auf die Bildungschancen von Mädchen auswirken. Die Organisation Save the Children schätzt, dass infolge der wirtschaftlichen Rezession weltweit bis zu 9,7 Millionen Kinder die Schule ganz abbrechen könnten. In vielen Ländern Subsahara-Afrikas ist die Wirtschaftsleistung aufgrund von pandemiebedingten Lockdowns, social distancing Maßnahmen und Reisebeschränkungen erheblich zurückgegangen.
Die pandemiebedingte Konjunkturabschwächung droht Armut in privaten Haushalten zu erhöhen. Wenn diesen Haushalten die finanziellen Mittel fehlen um für die Kosten der Schulbildung aufzukommen, investieren sie häufig ausschließlich in die Bildung von Jungen. Von Mädchen hingegen wird erwartet, dass sie im Haushalt mithelfen und sich um jüngere Geschwister und andere Familienmitglieder kümmern. Daher könnten die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie die Schulabbrecherquote bei Mädchen erhöhen.
Schulschließungen als Folge der Pandemie
Weltweit sind etwa 1,6 Milliarden Kinder von den pandemiebedingten Schulschließungen betroffen. Davon befinden sich allein 16 Prozent in Subsahara-Afrika. Damit einher geht häufig eine fehlende sexuelle Aufklärung und sozialer Schutz für Mädchen geht verloren. Dies scheint auch das Risiko von sexueller Gewalt und Teenagerschwangerschaften zu erhöhen. Laut einer 2015 in Südafrika durchgeführten Studie ist die Wahrscheinlichkeit für Mädchen, schwanger zu werden, fast 50 Prozent geringer, wenn sie die Schule besuchen. Für viele Mädchen kann die Schule ein sicherer Ort sein, an dem Lehrkräfte Anzeichen von Missbrauch erkennen und bei Bedarf eingreifen können. Wenn Mädchen gezwungen sind, zu Hause zu bleiben, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie sexuelle Gewalt durch Familienangehörige, Nachbarn und Gemeindemitglieder erfahren. In vielen Ländern ist die Zahl der Anrufe bei Helplines gestiegen. In Kenia beispielsweise meldete eine nationale Beratungsstelle einen Anstieg der Anrufzahlen um mehr als das Zehnfache, häufig wurden dabei Vergewaltigungen von Kindern gemeldet.
Bereits bei früheren krisenbedingten Schulschließungen zeigte sich ein erhöhtes Risiko für Mädchen, schwanger zu werden. Nachdem die Schulen während des Ebola-Ausbruchs 2014-2016 in Sierra Leone acht Monate lang geschlossen waren, verdoppelte sich die Zahl der Schwangerschaften bei Jugendlichen. In manchen Gemeinden stieg die Zahl der Teenagerschwangerschaften in Verbindung mit dem Ebola-Ausbruch um bis zu 65 Prozent. Schulschließungen aufgrund der COVID-19-Pandemie scheinen ähnliche Auswirkungen zu haben – in einem exponentiell größeren Ausmaß.
Bildungszugang für schwangere Teenager
Viele schwangere Teenager kehren nicht in die Schule zurück. Die Mo-Ibrahim-Stiftung schätzt, dass etwa eine Millionen Mädchen in Subsahara-Afrika nicht wieder in die Schule zurückkehren werden, nachdem sie während der Pandemie schwanger geworden sind. Manchmal liegt es daran, dass es den Mädchen zu unangenehm ist. Es gibt aber auch Fälle, in denen offizielle Gesetze schwangeren Mädchen und jungen Müttern die Fortsetzung ihrer Ausbildung ausdrücklich verbieten.
In einigen Ländern werden schwangere Mädchen nach wie vor von der Schule ausgeschlossen. In Tansania zum Beispiel geht der Schulausschluss aufgrund einer Schwangerschaft auf ein Gesetz aus den 1960er Jahren zurück. Dieses Gesetz wurde während der Präsidentschaft des kürzlich verstorbenen John Magufuli verschärft, der erklärte: Solange ich Präsident bin […] darf keine schwangere Schülerin in die Schule zurückkehren. Der BTI-Länderbericht für Tansania bestätigt, dass “die Schulabbrecherquote (insbesondere bei Mädchen) aufgrund von wirtschaftlicher Not, frühen Eheschließungen, Teenagerschwangerschaften und geschlechtsspezifischer Gewalt sehr hoch ist“.
Andere Länder in Subsahara-Afrika haben damit begonnen, ihre bestehenden Vorschriften zu ändern, um sicherzustellen, dass Mädchen während der Schwangerschaft in der Schule bleiben oder danach in die Schule zurückkehren können. Mosambik, Simbabwe, Sierra Leone und Uganda haben seit 2019 diskriminierende Regelungen abgeschafft oder neue Gesetze erlassen, die schwangeren Mädchen den Schulbesuch ermöglichen.
Sierra Leone hat im Jahr 2020 seine Gesetze geändert und eine integrativere Bildungspolitik für schwangere Schülerinnen eingeführt. Uganda verabschiedete im Dezember 2020 eine policy, die das Recht schwangerer Schülerinnen auf Bildung betont. Allerdings ist sie an mehrere Bedingungen geknüpft. So müssen Mädchen zum Beispiel die Schule verlassen, wenn sie im dritten Monat schwanger sind. Außerdem wird verlangt, dass sie sechs Monate Mutterschaftsurlaub nehmen. Diese Bedingungen bedeuten, dass die Mädchen ein ganzes Schuljahr verpassen, was die Hürden für einen Wiedereinstieg erhöht. Simbabwe hat 2019 sein Bildungsgesetz reformiert, so dass schwangere Schülerinnen in der Schule bleiben können.
Diese neuen Gesetze sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, lassen sich aber oft nur schwer umsetzen oder sind mit zahlreichen Barrieren verbunden. Ein Beispiel aus einer weiterführenden Schule in Simbabwe zeigt, dass geänderte Gesetze nicht unbedingt sofort zu Veränderungen führen: dort wurden 13 Mädchen während des Lockdowns 2021 schwanger und nur zwei von ihnen kehrten in die Schule zurück. Nach wie vor gibt es verschiedene Hindernisse für schwangere Mädchen auf dem Weg zurück in die Schule.
Ein Blick nach vorn
Der Welt-Mädchentag erinnert uns daran, dass Mädchen noch immer benachteiligt werden – nicht nur in Subsahara-Afrika. Es sind noch viele Veränderungen notwendig, um Chancengleichheit für Mädchen und Jungen im Bildungsbereich zu erreichen. Eine angemessene Schulbildung für Mädchen dient nicht nur der Wahrung ihrer Menschenrechte, sondern ist auch entscheidend für die politische und wirtschaftliche Transformation Subsahara-Afrikas. Als Grundlage dafür sollten alle Länder den gesetzlichen Rahmen schaffen, der es schwangeren Mädchen ermöglicht, in der Schule zu bleiben. Außerdem sollten die Regierungen und Bildungsstätten sicherstellen, dass beschlossenen Maßnahmen ausreichend umgesetzt werden. Neben den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Aspekten der Pandemiebekämpfung müssen auch die aktuell sinkenden Bildungschancen von Mädchen in der internationalen Problembearbeitung stärker berücksichtigt werden.