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Adama Barrow, President of the Republic of The Gambia.

Wahlen in Gambia: Ein Prüfstein für demokratische Werte

Bei den anstehenden Präsidentschaftswahlen in Gambia zeichnet sich ein enges Rennen ab, überschattet von Spekulationen über eine mögliche Rückkehr des ehemaligen Präsidenten Yahya Jammeh. Nachdem er sich vor vier Jahren geweigert hatte, seine Niederlage anzuerkennen, ging er ins Exil. Gelingt Jammeh nun ein Comeback? Was bedeutet diese wichtige Wahl für die Demokratiebestrebungen des westafrikanischen Landes?

Zwei Jahrzehnte lang war der gambische Oppositionelle und Gründer der United Democratic Party (UDP) Ousainou Darboe dem langjährigen Präsidenten Yahaya Jammeh ein Dorn im Auge. 22 Jahre lang hatte dieser regiert, wurde dann jedoch 2016 ausgerechnet von Adama Barrow um das oberste Staatsamt gebracht, einem Geschäftsmann, dessen größte politische Leistung bis dahin eine Niederlage bei den Parlamentswahlen 2007 gewesen war.

Der politische Emporkömmling konnte die UDP-geführte Koalition hinter sich bringen, nachdem Darboe wegen Teilnahme an Demonstrationen verhaftet worden war. Der neue Präsident machte den Bürgern des kleinen westafrikanischen Staates Hoffnung auf eine neue Ära. Für seine politischen Partner war er jedoch nur ein Platzhalter, der den Sitz für den außerordentlich beliebten Darboe warmhalten sollte.

Die letzten fünf Jahre waren geprägt von politischen Veränderungen, darunter drei neue Vizepräsidenten und eine Verfassungsreform, die daran scheiterte, dass Einzelne sich an ihre Machtpositionen klammerten. Nachdem sich der Präsident mit Darboe überworfen hatte, trat er aus der UDP aus und strebt nun mit seiner neu gegründeten Partei, der National People‘s Party (NPP), eine Wiederwahl an. Dauerpräsidentschaftsanwärter Darboe, der im Kabinett sowohl Außenminister als auch einer der Vizepräsidenten war, ist erneut Kandidat der UDP.

Die für den 4. Dezember anberaumten Wahlen werden voraussichtlich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Barrow und seinem ehemaligen Gönner Darboe werden. Die Opposition, die über eine parlamentarische Mehrheit und eine solide Wählerbasis verfügt, ist zuversichtlich, dass sie zum zweiten Mal innerhalb von sechs Jahren einen Präsidenten stürzen kann. Trotz Bedenken wegen seines Alters hofft der 73-jährige Darboe, nach so vielen Anläufen nun endlich die Macht zu übernehmen und es damit anderen ausdauernden Anwärtern auf das Präsidentenamt, wie Muhammadu Buhari (Nigeria), Nana Akufo-Addo (Ghana) und Alpha Condé (Guinea), gleichzutun.

Menschenrechte im Fokus

Barrows Vermächtnis, seine Bemühungen um die Konsolidierung demokratischer Werte, hängen vom Wahlergebnis ab. Als Präsident setzte er eine Wahrheits-, Versöhnungs- und Wiedergutmachungskommission ein, um nach den Menschenrechtsverletzungen der vorherigen Regierung die nationale Aussöhnung zu fördern. Ihre öffentlichen Enthüllungen und Ergebnisse ­­– wann immer sie vorgelegt werden – werden die Wahlen vermutlich nicht mehr beeinflussen können, könnten jedoch danach zum Politikum, werden.

Essa Faal, der leitende Ankläger dieser Kommission, ist zurückgetreten, um ebenfalls für die Präsidentschaft zu kandidieren. Noch ist unklar, mit welchen Programmschwerpunkten der ehemaliger UN-Diplomat und Rechtsberater von Charles Taylor antritt. Doch mit seiner Kandidatur beschwört er Kritik gegen mögliche Empfehlungen der Kommission herauf.

Auch Reformen im Bereich der Sicherheit wurden versprochen. Während der gesamten Regierungszeit Jammehs wurden Sicherheitskräfte entlassen, ersetzt oder befördert, je nach Laune des Präsidenten oder der ethnischen Zugehörigkeit der betreffenden Beamten. Loyalität hatte Vorrang vor Erfahrung und Kompetenz. Die Übergangsregierung lässt sich von Truppen unterstützen, die von der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) seit 2017 in Gambia eingesetzt werden.

Laut dem Länderbericht des Bertelsmann Transformation Index (BTI) von 2020 kam es vereinzelt zu Vorfällen, bei denen sowohl diese Friedenstruppe als auch die Sicherheitskräfte des Landes mit harter Hand gegen Bürger vorgegangen sind. Dennoch könnte sich die Präsenz der ECOWAS-Truppen während der Wahlen als nützlich erweisen, sollte Barrow – wie vor ihm Jammeh – im Falle einer Niederlage nicht abtreten wollen.

Der BTI-Bericht unterstreicht auch, wie stark demokratische Entwicklungstendenzen im Land verankert sind: „Die demokratischen Institutionen Gambias werden weithin als legitim angesehen, selbst von Personen oder Gruppen, die mit bestimmten Entscheidungen oder Maßnahmen nicht einverstanden sind. Sie waren bereits vor Jammehs Herrschaft tief in der gambischen Gesellschaft verwurzelt.“

Infrage gestellt wird diese positive Entwicklung nun ausgerechnet durch Barrows NPP, die einen umstrittenen Pakt mit der Alliance for Patriotic Reorientation and Construction (APRC), Jammehs alter Partei, ankündigte. Dies hat Spekulationen ausgelöst, ob die ehemalige Regierungspartei eine Rolle in der nächsten Regierung spielen könnte und im Gegenzug dafür möglicherweise eine Amnestie für ihren im Exil lebenden Führer für den Fall seiner Rückkehr erwirkt. Menschenrechtsgruppen in Gambia haben vor einer möglichen Rückkehr des ehemaligen Präsidenten Jammeh gewarnt, dem Menschenrechtsverletzungen und Morde an politischen Gegnern während seiner 22-jährigen Herrschaft vorgeworfen werden.

Beide Parteien sollten wissen, dass es in der Politik keine Garantien gibt, sagt Hamid Adiamoh, Chefredakteur der Zeitung NewDay. „Manchmal denken die Leute, sie könnten eine Vereinbarung kontrollieren, und dann schütteln sie dem Teufel die Hand. Irgendwann merkt man dann, dass der Teufel mehr Macht hat, als man dachte“, sagt er im Interview.

Regierungsinsider bezweifeln jedoch, dass eine Begnadigung durch den Präsidenten wahrscheinlich ist. Jammeh „soll etliche Westafrikaner und Gambier mit amerikanischer Staatsbürgerschaft umgebracht haben“, sagt eine Quelle im Präsidialamt, die anonym bleiben will. „Als Jammeh vor fünf Jahren ins Exil ging, war das eine internationale Angelegenheit. Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Präsident Barrows Macht ausreichen wird, Yahaya Jammeh zu begnadigen oder die Ermittlungen gegen ihn zu stoppen.“

Ethnische Zugehörigkeit beeinflusst den Wahlausgang

Alles deutet darauf hin, dass die Wahlen frei und fair sein werden, doch ethnische Zugehörigkeiten werden wie bisher eine Rolle bei der Entscheidung an der Urne spielen. In Gambia richtet sich die Politik an Persönlichkeiten aus, nicht an Ideologien. Darboe gehört der Mandinka-Ethnie an, die ein Drittel der Bevölkerung ausmacht. Der Präsident dagegen ist ein Fula und ihm wird vorgeworfen, deren Interessen zu dienen. Sein Vorgänger Jammeh ist wiederum ist ein Jola. Er sagte einmal, er werde die Mandinka „dorthin bringen, wo selbst eine Fliege sie nicht sehen kann“, eine Äußerung, die ihn vermutlich ihre Unterstützung bei den Wahlen 2016 gekostet hat. Barrows Vernunftehe mit der APRC, die als politische Heimat der Jolas gilt, scheint auch eine Strategie zu sein, mehr Stimmen zubekommen.

Er sei, erklärt die Quelle aus dem Präsidialamt, vor fünf Jahren nur deshalb Präsident geworden, weil er zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, nur ein Übergangspräsident, der Jammeh von seinem Thron stoßen sollte. „So ist Politik: Es geht um Macht. Der Präsident ist der Ansicht, dass er unbedingt den nächsten Schritt machen muss, einen, der ihn über die Rolle des Übergangsregenten hinausbringt.“

Für die Bürger Gambias könnten die Wahlen entweder das Wiederauferstehen eines in Ungnade gefallenen Diktators oder ein Happy End für einen weiteren westafrikanischen Gerontokraten bereithalten. Am wichtigsten wäre für die Mehrheit jedoch ein ruhiger Verlauf der Wahlen, um den ersten reibungslosen politischen Übergang des Landes seit seiner Unabhängigkeit von den Briten 1965 zu sichern.

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.

 

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