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Indonesian President Joko Widodo visits Korea. Photo by Republic of Korea via Flickr – CC BY-SA 2.0 License (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0/)

G20-Gipfel auf Bali: Indonesiens Blick nach Innen

Indonesiens innerstaatliche Prioritäten und die geplanten Infrastrukturprojekte haben großen Einfluss auf die Ausrichtung des G20-Gipfels in Bali. Aber verfügt das Land über die rechtlichen Spielräume und den politischen Willen, seine ehrgeizigen Ziele zu verwirklichen?

Während sich die Staats- und Regierungschefs der Welt auf dem G20-Gipfel in Indonesien beraten, konzentriert sich das Gastgeberland darauf, internationale Investitionen für seine großen Infrastrukturprojekte wie den Übergang zu sauberen Energiequellen und den geplanten Hauptstadtumzug von Jakarta nach Ost-Kalimantan anzuziehen.

Der Gipfel findet zu einer Zeit statt, in der Indonesien nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine unter der weltweit steigenden Inflation und einer Energiekrise leidet. Die größte Volkswirtschaft Südostasiens hat zwar von den steigenden Rohstoffpreisen für Kohle, Gas und Palmöl profitiert, doch sah sich die Regierung auch zu einer Anhebung der Kraftstoffpreise um rund 30 Prozent gezwungen, um die gestiegenen Energiesubventionen einzudämmen. Bei Protesten forderten Demonstranten den indonesischen Präsident Joko Widodo wiederholt auf, die unpopuläre Kürzung der Treibstoffsubventionen rückgängig zu machen, doch umsonst. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung schlug sich im September in einer um 10 Prozent gesunkenen Zustimmungsrate von Widodo nieder, die nun bei 62,6 Prozent liegt.

Dieser innenpolitische Druck wurde noch verschärft durch den Mangel an Speiseöl, obwohl Indonesien der weltweit größte Exporteur von rohem und raffiniertem Palmöl ist. Das Land hat daraufhin eine Beschränkung seiner Ausfuhren beschlossen. Auch die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis, Fleisch, Chili und Eier sind in die Höhe geschnellt.

Energiewende: Ehrgeizige Ziele vs. tatsächliches Handeln

Vor dem Hintergrund steigender Brennstoffpreise rückt die Energiewende in den Fokus, nicht zuletzt, weil Indonesien sein Netto-Null-Ziel bis 2060 erreichen will. Auf dem G20-Gipfel soll eine Reihe freiwilliger Grundsätze namens „G20 Bali Compact“ verabschiedet werden, die das Engagement der Mitglieder für eine effektive Energiewende zur Erreichung der Klimaneutralität bekräftigen. In der Praxis stehen die Entwicklungsländer jedoch vor der Herausforderung, die Übergangsphase zu finanzieren, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten für den Kohleausstieg. Die G20 Finance Roadmap wiederum zielt darauf ab, die private und öffentliche nachhaltige Finanzierung zu erhöhen, um den Entwicklungsländern zu helfen, ihre Klimaziele zu erreichen.

Einer Schätzung zufolge muss Indonesien in den nächsten zwei Jahrzehnten 600 Milliarden US-Dollar an Investitionen aufbringen, um Kohlekraftwerke abzuschalten, erneuerbare Energien zu entwickeln und sein Stromnetz auszubauen. Zwei Drittel dieser Mittel müssen vom Privatsektor aufgebracht werden, doch bislang ist es nicht gelungen, Investoren anzuziehen. Dies liegt zum Teil an der schleppenden Weltwirtschaft, aber auch an der mangelnden Kohärenz der indonesischen Umweltpolitik. Ein Bericht des Bertelsmann Transformation Index (BTI) hat die Auswirkungen des 2020 verabschiedeten „umstrittenen“ Omnibus-Gesetzes auf die Umwelt hervorgehoben, in dem die Anforderungen an Unternehmen zur Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen gelockert wurden: „Nach den neuen Vorschriften sind lokale Bevölkerungsgruppen von dem Prozess ausgeschlossen, was bei der Verabschiedung des Gesetzes zu breiter Kritik führte“, schreiben die BTI-Experten. Außerdem hat die Regierung im Februar letzten Jahres Abfälle aus kohlebefeuerten Kraftwerken von der Liste der gefährlichen Abfälle gestrichen.

Um sein Engagement für erneuerbare Energien zu unterstreichen, hat Indonesien vor kurzem die Präsidialverordnung Nr. 112 über die beschleunigte Entwicklung erneuerbarer Energien für die Stromversorgung verabschiedet. Die neuen Vorschriften betreffen unter anderem die Energiewende, die frühzeitige Stilllegung von Kohlekraftwerken und den Preismechanismus. Das Vertrauen in den Markt ist jedoch nach wie vor gering, da es im Bereich der erneuerbaren Energien eine Regulierungslücke gibt, die Anreize für Investoren gering sind und es am Engagement und an den Kapazitäten der lokalen Behörden mangelt.

Verlegung der Hauptstadt

Ein weiteres wichtiges innenpolitisches Thema ist das höchst ehrgeizige Projekt des indonesischen Präsidenten Joko Widodo, allgemein bekannt als Jokowi: die Verlegung der Hauptstadt von Jakarta in die Provinz Ost-Kalimantan. Lange Zeit habe sich die Wirtschaft des Landes unverhältnismäßig stark auf Java konzentriert, so Jokowi. Mit der neuen Hauptstadt werde ein Ausgleich geschaffen. Der geplante Umzug ist auch der Tatsache geschuldet, dass 40 Prozent von Jakarta unter dem Meeresspiegel liegen und nun in alarmierendem Tempo absinken.

Bei einem hochrangigen Treffen mit potenziellen Investoren prahlte Jokowi im vergangenen Monat damit, die neue Hauptstadt werde eine „grüne Stadt“ mit 70 Prozent Grünflächen werden, in der E-Autos und autonome Fahrzeuge den Großteil des öffentlichen Verkehrs ausmachten. Es gibt jedoch Bedenken hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen des Umzugs, da die neue Hauptstadt auf der waldreichen Insel Borneo geplant ist, was die Angst vor Abholzung schürt. Kritiker haben sich skeptisch über die Pläne zur Nutzung grüner Energie geäußert, da erneuerbare Energien derzeit 11,5 Prozent des nationalen Gesamtbedarfs ausmachen. Eher scheint es, dass die neue Stadt für ihre Stromversorgung auf die zahlreichen Kohlekraftwerke auf Borneo angewiesen sein wird.

In der Öffentlichkeit mehren sich die Zweifel am Hauptstadtumzug, dessen Umsetzung mehrere Legislaturperioden in Anspruch nehmen könnte. 80 Prozent des Budgets sollen von privaten Unternehmen stammen, was bisher jedoch kaum auf positive Resonanz gestoßen ist. Darüber hinaus mangelt es an der Unterstützung durch lokale Akteure, was auf ein Kommunikations- und Wissensdefizit hindeutet. Wie der BTI-Bericht 2022 darlegt, ist die politische Abstimmung zwischen Zentralregierung, lokalen Behörden und anderen Akteuren generell mangelhaft: „Die Regierungsministerien werden von einer Vielzahl unterschiedlicher Parteien und Akteure geführt, und die Autonomie letzterer bei der Formulierung der Politik ist beträchtlich.“

Vor diesem Hintergrund wird Indonesien auf dem G20-Gipfel um einen Ausgleich zwischen seinen Interessen und Bestrebungen bemüht sein, indem es die globale Plattform für die Präsentation seiner Megaprojekte und das Anwerben von Investoren nutzt. Angesichts der ungewissen Erfolgschancen seiner Pläne bleibt der politische Blick Indonesiens eher nach innen als nach außen gerichtet. In Verbindung mit einer schwierigen Weltwirtschaft, geopolitischen Spannungen und innenpolitischen Problemen bedeutet dies, dass Indonesien seinen G20-Vorsitz wahrscheinlich nicht mit einer entschlossenen Haltung auf der viel beachteten Veranstaltung abschließen wird.

Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Kotte

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