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Demokratisierung und Deeskalation

In den letzten zwanzig Jahren wurde weltweit eine zunehmende Erosion der Demokratie verzeichnet. Parallel dazu hat die Konfliktintensität stetig zugenommen. Beide Trends sind miteinander verknüpft. Die Identifizierung der Treiber politischer Rückschritte ermöglicht es uns, Strategien zur Depolarisierung von Gesellschaften und zur Beilegung politischer Gewalt zu entwickeln.

Die Auswirkungen des weltweiten Demokratieabbaus zeigen sich nun in einer Zunahme von Konflikten innerhalb und zwischen Ländern. Der Transformationsindex 2024 der Bertelsmann Stiftung hat seit seiner ersten Ausgabe im Jahr 2006 einen Anstieg um 18% an Konfliktintensität festgestellt, gepaart mit einer Abnahme der Fähigkeit von Regierungen zur Konfliktbewältigung. Die schlechten Ergebnisse sind weitgehend das Ergebnis einer Rückkehr der Geopolitik. Das unipolare demokratische System, das in den 1990er und frühen 2000er Jahren existierte, war eher ein kurzer Urlaub von der Geschichte als eine neue Weltordnung. Doch so wie die Gewalt in der Vergangenheit zugenommen hat, so ist sie auch wieder zurückgegangen. Es gibt Möglichkeiten, den derzeitigen Trend zu ändern.

Elitengewalt und populistische Machtpolitiker

Zwei Hauptursachen für die Zunahme von Konflikten geringer Intensität unterhalb der Kriegsschwelle sollen hier benannt werden. Zum einen werden einige Länder von selbstsüchtigen Eliten regiert, die seit langem erhebliche Gewalt gegen marginalisierte Gruppen tolerieren, um die Macht einer kleinen, privilegierten Clique von oft korrupten Wirtschaftsführern und Politikern zu erhalten. Viele dieser Länder waren nominell Demokratien, aber unbesehen der Wahlergebnisse hatte immer dieselbe kleine Elite das Sagen. Als die unipolare Ordnung endete, konnten die Regime einfach die Maske fallen lassen – so geschehen in Nicaragua und so jüngst versucht in Guatemala, als die Eliten einen friedlichen Machtwechsel verhindern wollten.

Zum anderen nimmt die Konfliktintensität zu, weil bestehende gesellschaftliche Spannungen durch eine absichtlich spaltende Politik populistischer Machtpolitiker verschärft werden. Von Brasilien unter Jair Bolsonaro bis hin zu Israel unter Benjamin Netanjahu polarisieren diese Regierungschefs bewusst, um starke persönliche Loyalität zu erzeugen. So können sie mit der Unterstützung eines lautstarken Teils der Öffentlichkeit demokratische Institutionen demontieren.

Sowohl populistische Machtpolitiker (wie auch die privilegierten, korrupten Eliten, denen sie letztendlich ähneln) fahren berechnend das Konfliktmanagement in ihren Gesellschaften zurück. Populisten haben zudem die Absicht, polarisierend zu teilen, um zu herrschen. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit von Konflikten, die in Ländern wie Indien und den USA gewalttätig ausfallen können.

Diese Führer lassen sich am einfachsten stoppen, bevor sie an die Macht kommen. Selbstsüchtige Eliten müssen abgewählt werden, ohne dass die Wähler den Lockrufen eines Außenseiters erliegen, der einfach ein populistischer Machtmensch ist – wie in El Salvador geschehen. Populistische Machthaber müssen gestoppt werden, bevor sie die Wahlsysteme so stark verändern, dass sie nicht mehr verlieren können, wie es jetzt in der Türkei und wohl auch in Ungarn geschehen ist.

Solange es überhaupt noch die Möglichkeit gibt, mit Aussicht auf Erfolg in den Wahlkampf zu ziehen, dürfen die Oppositionsparteien nicht den Köder schlucken, selbst die Polarisierung zu vertiefen. Stattdessen müssen demokratische Koalitionen auch ungewöhnliche Verbündete suchen, um klare Mehrheiten zu gewinnen. Polens politische Parteien von Mitte-Rechts bis Mitte-Links hatten sich gerade noch rechtzeitig zusammengetan, um die regierende PiS-Regierung zu stürzen. In Brasilien hat die pro-demokratische Bewegung die konservative Geschäftswelt umworben, die allmählich verstanden hatte, dass Bolsonaros Personalisierung der Macht auch ihren eigenen Interessen schadete.

Diese pro-demokratischen Koalitionen können keine elitären städtischen Bündnisse bleiben, sie müssen gesellschaftlich breiter aufgestellt sein. Unterstützung in Form von Beratung und Schulung muss jenseits der etablierten Parteien auch loseren Demokratiebewegungen beim Organisationsaufbau zugutekommen. Das Training demokratischer Führungskräfte sollte zudem über die Unterstützung einzelner Politiker hinausgehen. Stattdessen sollte es Bewegungen und Politiker ausbilden, und zwar von Medienarbeit bis hin zu Organisationstechniken, und von Wahlkampfführung bis zur verantwortlichen Amtsführung nach einem Wahlsieg.

Putsche und Geopolitik

Putsche sind eine intensivere Form des Konflikts, die in den letzten Jahren vermehrt stattgefunden haben. Auch hier ist der beste Zeitpunkt zum Eingreifen, bevor ein Putsch überhaupt stattgefunden hat. Die USA haben dies in Brasilien getan, wo eine klare, widerspruchsfreie und beständige Kommunikation einem unentschlossenen Militär die Auswirkungen eines Staatsstreichs auf die sicherheitspolitische Zusammenarbeit beider Länder vor Augen führte. Eine ähnliche Strategie kann auch in anderen Ländern helfen, deren Militärs ihre Beziehungen zu demokratischen Staaten zu schätzen wissen. Die Ankündigung, dass im Falle eines Staatsstreichs alle Formen von Sicherheitsbeziehungen beendet werden, muss glaubwürdig sein und daher auch eingehalten werden. Einige westliche Militärs argumentieren, dass dies wankelmütige Länder einfach in die Arme von Russland und China treibt. Aber diese potenziellen Putschisten sind keine verlässlichen Sicherheitspartner. Viele haben beide Seiten gegeneinander ausgespielt. Wenn sie mit der russischen Wagner-Gruppe oder ähnlichen militärischen Partnern zusammenarbeiten wollen, sind das keine Verbündeten, denen man vertrauen kann oder für die es sich zu kämpfen lohnt.

Auf Regierungsebene sollten inklusiv und integrativ agierende Führungskräfte Hilfe, militärische Zusammenarbeit, Ausbildung und Solidarität erhalten. Nepal zum Beispiel hat einen maoistischen Aufstand beendet und versucht, inmitten bitterer Armut die seit langem bestehenden sozialen Risse in marginalisierten Gebieten wie dem Terai zu kitten. Nepal verdient Hilfe und die Unterstützung von außen, die es dem Land und vergleichbaren Ländern ermöglichen würde, ihren politischen Willen zur Inklusion auch wirklich in die Tat umzusetzen.

Demokratien sollten vor allem Ländern helfen, die als nächste von einem Putsch oder autoritärer Herrschaft bedroht zu sein scheinen. Dabei sollten sie regional denken und vorgehen, um stärkere Bündnisse zwischen Demokratien zu bilden, die sich gegenseitig in ihrem geografischen Umfeld unterstützen können. In Ländern wie Côte d’Ivoire, Ghana, Malawi und Malaysia sollten sich die Kooperationspartner auf den Sicherheitsbereich, die Unterstützung der Inklusion und die Stärkung der demokratischen Leitplanken konzentrieren. Geldgeber sollten insbesondere demokratische Politiker und Bewegungen fördern, die den Wählern die Möglichkeit geben, ihre Systeme selbst zu korrigieren, bevor sie einen Putsch oder populistische Machthaber willkommen heißen.

Die lokale Ebene

Auf gesellschaftlicher Ebene sollte sich die Hilfe auf den Aufbau einer größeren Widerstandsfähigkeit innerhalb lokaler Gemeinschaften konzentrieren, damit politische Führer es schwerer haben, Konflikte zu schüren. In wohlhabenden Gebieten wie Lagos (Nigeria) und Nuevo León (Mexiko) haben Unternehmen Inseln der Stabilität finanziert (obwohl das mexikanische Beispiel zeigt, dass Politiker, wenn sie wollen, solche Versuche, sich dem Staat zu entziehen, zunichtemachen können). An anderen Orten, wie im kenianischen Wajir Valley, haben lokale Mediatoren Verbindungen zwischen konfliktträchtigen Gruppen aufgebaut, um den von Politikern geschürten Konflikt zu verringern.

Hinter den Statistiken über die Zunahme von Konflikten verbergen sich Leben, die durch Verlust und Angst zerrissen sind. Diese Trends umzukehren ist schwierig. Die Daten des BTI zeigen jedoch, dass eine Trendwende möglich ist und dass die Demokratie, auch wenn sie Mängel aufweist, friedlichere Gesellschaften fördert.

 

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