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US helicopter over Baghdad. Photo by The U.S. Army via commons.wikimedia.org, CC0

Machtkampf um den Irak: Im Fadenkreuz der Großmächte

Die harte Haltung der USA gegenüber dem Iran bringt viele Nationen in die Klemme. Mit am stärksten betroffenen ist der Irak. Es bleibt abzuwarten, wer sich dort im Kampf um Einfluss und Macht durchsetzen wird.

Kein Printmedium behandelt amerikanische Außenpolitik mit so viel Eifer wie das Wall Street Journal. Geht es um die Zukunft des Nahen Ostens, publiziert das Blatt schon seit geraumer Zeit harte außenpolitische Ansichten gegenüber der Islamischen Republik Iran. Nie reicht der Druck auf den Iran und nie sind Sanktionen ungerechtfertigt. Doch jetzt sind kürzlich sogar im Wall Street Journal Bedenken laut geworden, ob durch die Vollendung der „Strategie des maximalen Drucks“ gegen den Iran nicht regionale Kollateralschäden entstehen, die den USA schaden. Viele Länder geraten in eine unangenehme Lage, weil die amerikanische Regierung ihnen nur die Wahl zwischen den USA oder dem Iran lässt und mit extraterritorialen Sanktionen droht, wenn ihrem Willen nicht entsprochen wird. Kaum ein Land ist diesem Kräftemessen so ausgeliefert wie der Irak.

Es geht um die Frage, ob Washington durch eine Verschärfung der Iran-Sanktionen nicht seinen Interessen im Irak nachhaltig schadet. Nur wenige Tage vor der Januarvisite des amerikanischen Außenministers Mike Pompeo in Bagdad waren der iranische Außen- und der Ölminister im Irak empfangen worden. Für die US-amerikanische Unternehmerschaft stand damit fest, dass die Iraner die Umsetzung US-amerikanischer Geschäftsvorhaben verhindern wollen. US-Unternehmen sind besonders an Energie- und Infrastrukturprojekten im Iran interessiert, worauf auch die Iraner aus sind. Noch sind die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Iran und Irak zu eng und verwoben, als dass Washington sie durchtrennen könnte.

Iran und Irak kommen sich wirtschaftlich näher

Die Botschaft der Zweifler in den USA lautet, dass Washington eine neue politische Linie gegenüber dem Iran finden muss, wenn es den Irak nicht auch noch verlieren will. Für die USA wäre es ein strategischer Fehler größeren Ausmaßes, wenn wegen des Washingtoner Iran-Kurses der amerikanische Einfluss im Irak schwindet. Iraner und Iraker arbeiten an neuen Wegen für Bankgeschäfte, die den Handel zwischen beiden Ländern am Leben halten. Mit ihrer Verwirklichung verbindet sich für den Iran die Hoffnung, sich vom Finanzsektor der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unabhängiger zu machen, der in der Vergangenheit das Finanz-Gateway zu Bankdienstleistungen mit dem Rest der Welt war. Für viele iranische Händler stellt inzwischen der Irak die passende Drehscheibe und das geeignete Durchgangsland für den iranischen Außenhandel dar. Der Irak kann für den Iran eine wichtige wirtschaftliche Rolle spielen, von der beide Länder profitieren. In Dubai dagegen werden die Geschäfte für iranische Firmen immer schwieriger und teurer. Man spricht bereits von einem Einbrechen des Handelsvolumens zwischen Iran und den VAE.

Durch das politische Ultimatum der USA gerät der Irak in Loyalitätskonflikte. Der Irak-Länderbericht des Bertelsmann Transformation Index (BTI) erklärt, wie beide Nationen, Iran wie USA, eine entscheidende Rolle spielen, wenn auch mit negativen Nebeneffekten: „Die USA und der Iran bleiben die wichtigsten internationalen Partner für den Irak. Beide können als zweischneidiges Schwert angesehen werden. Während sie beide versuchen, die derzeit von Schiiten dominierte Regierung zu stabilisieren, nicht zuletzt im Kampf gegen den IS, nehmen durch ihre massive Unterstützung auch Korruption, Gefälligkeits- und Klientelkapitalismus zu.“

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den vorderasiatischen Nachbarländern intensivieren sich deutlich. Der Irak ist bereits der größte iranische Exportmarkt für Nicht-Erdölprodukte, und Teheran und Bagdad behaupten, dass der Handel von derzeit 12 Milliarden auf 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr steigen kann. Dass der Irak auch als potenzieller Vermittler zwischen sowohl dem Iran und den Vereinigten Staaten als auch zwischen dem Iran und Saudi-Arabien genannt wird, macht deutlich, welche bedeutende Rolle dem Land von verschiedenen Seiten zugedacht wird. Die Amerikaner haben längst begriffen, dass Washingtons Sanktionen gegen den Iran nicht nur den Irak treffen, sondern auch die amerikanischen Interessen in diesem Land. Aus diesem Grund erließ die Trump-Administration Sanktionsbefreiungen für den Irak, so dass Bagdad weiter Gas und Elektrizität aus dem Iran importieren kann. Als diese Ausnahmeregelungen im April 2019 nicht verlängert wurden, ließen die Iraker nur achselzuckend verlauten, dass es für sie unmöglich sei, die US-amerikanischen Sanktionsbestimmungen einzuhalten.

Der Irak strebt nach besseren Beziehungen zur arabischen Welt

Während offizielle irakische Erklärungen darauf hindeuten, dass Bagdad die US-Sanktionen gegen den Iran nicht einhalten kann oder will, lassen die Iraner nichts anbrennen und schicken hektisch hochrangige Staatsbeamte auf Besuch nach Bagdad. So gesehen sind Länder wie der Irak, die im iranisch-amerikanischen Schlagabtausch zerrieben werden, bereits jetzt zum Testfeld für Präsident Donald Trumps „Strategie des maximalen Drucks“ geworden.

Der Staatsbesuch des irakischen Ministerpräsidenten Adel Abdel Mahdi Anfang April in Teheran folgte direkt auf Präsident Hassan Rohanis Besuch in Bagdad. Ziel des Besuches von Mahdi war es, auf Vereinbarungen aufzubauen, die einige Wochen zuvor mit Bagdad geschlossen worden waren. Doch der Besuch war sehr vom irakischen Bemühen um eine Verbesserung der Beziehungen zur arabischen Welt geprägt, einem Wunsch, der den iranischen Pläne für den Irak gefährlich werden kann. Kurz vor seiner Ankunft in Teheran hatte Mahdi sich in Kairo mit Präsident Abdel Fattah al Sisi und dem jordanischen König Abdullah II getroffen. Ein Staatsbesuch in Riad soll bald folgen.

Auch die Iraner machen es der irakischen Führung nicht gerade einfach. Als unnötige Einmischung in die internen Angelegenheiten lässt sich die Botschaft werten, die Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei an die Adresse Mahdi sandte: die US-amerikanische Armee aus dem Land zu werfen und in Bezug auf die saudischen Interessen sehr vorsichtig zu sein. Doch Chamenei hätte solche Worte nie gewählt, wenn er sich seiner Position nicht sicher wäre. Das zeigt, dass die Iraner bislang nicht befürchten, dass Mahdi zu mächtig werden und sich vom Einfluss Teherans unabhängig machen könnte. Bagdad muss wenigstens symbolisch auch weiterhin der arabischen Welt angehören, auch wenn es enge Beziehungen zu Teheran will. Abgesehen davon gibt es viele Anzeichen dafür, dass die Beziehungen zwischen dem Iran und dem Irak gut sind.

Die amerikanische Strategie verändert die öffentliche Meinung nicht

Rohanis Staatsbesuch im März sollte vor allem eine Botschaft nach Washington und an die arabischen Alliierten der USA senden: Der Iran wird im Irak bleiben und Bagdad wird keiner anti-iranischen Linie folgen. Washington beobachtet die Entwicklung der iranisch-irakischen Beziehungen mit Aufmerksamkeit, ganz besonders nach Rohanis Staatsbesuch in Bagdad. Die Trump-Regierung versucht mit großem Einsatz, Bagdad von Teheran zu lösen, doch öffentlichkeitswirksam ist diese amerikanische Strategie nicht. Offizielle Seiten in Teheran erklären Rouhanis Besuch bereits als „historischen“ Moment in den iranisch-irakischen Beziehungen. Und Bagdad hat klargestellt, dass es in absehbarer Zukunft ohne iranische Energie nicht auskommen kann. Ausdrücklich hat Teheran auch bereits seinen Willen geäußert, bei den enormen wirtschaftlichen Wiederaufbaumaßnahmen sowohl im Irak als auch in Syrien eine bedeutende Rolle spielen zu wollen. Das führt zu einem weiteren Punkt, der Notwendigkeit von Sicherheitskooperationen: Hier argumentiert Teheran, Bagdad brauche die iranische Unterstützung, um die letzten Reste des IS aufzuspüren.

In dieser Angelegenheit verweisen die Iraner auf das mangelnde Interesse der Trump-Administration an der Sicherheitslage im Irak und die ohnehin schwankende Haltung von Präsident Trump zur Rolle der USA im Nahen Osten. Zum schlechten Bild gehört auch, dass Trump sich bei seinem einzigen Besuch im Irak im letzten Dezember nicht mit der irakischen Führung getroffen hat. Aus iranischer Perspektive ist Rohanis Besuch in Bagdad symbolisch von großer Bedeutung, nachdem die USA monatelang versucht hatten, Irak und Iran auseinanderzubringen. Teheran nutzt jede Gelegenheit zu widerlegen, dass man es isolieren könne. Je nach dem, mit wem man spricht, werden andere Umstände im Dossier „Irak“ bemüht. Das Büro Chameneis, der auch Oberbefehlshaber der Revolutionsgarden ist, betont Sicherheitsaspekte (Kampf gegen den IS, Unterstützung schiitischer Milizen) als wesentlichen Grund, warum der Iran sich im Irak engagieren sollte.

Andere, darunter das Außen- und Ölministerium, sehen die Sicherheitslage nicht als ausreichend an, um zu viel Hoffnungen in den Irak zu setzen. Der iranische Ölminister Bijan Zangeneh hat sich öffentlich über einen Mangel an Kooperationsbereitschaft bei seinen irakischen Amtskollegen beklagt. Noch besteht Rohanis Herausforderung darin, die Symbolpolitik hinter sich zu lassen und Iraker zum Ärger der Amerikaner für eine Erweiterung der Kooperation zu gewinnen. Dies würde bedeuten, das Niveau der militärischen und sicherheitspolitischen Kooperation beizubehalten, während man die Zusammenarbeit in anderen Bereiche ausbaut (besonders im Energie- und Bankensektor, in dem der Iran aufgrund der gegen Teheran verhängten Sanktionen die Beziehungen zu Bagdad intensivieren möchte). Wenn Teheran mit seinen Bemühungen in Bagdad Erfolg haben sollte, wird das sicherlich zu einer Art Prüfung für die Trump-Regierung. Anders ausgedrückt ist Teheran zwar hoffnungsvoll, im Irak mehr zu erreichen, aber nicht blind gegen den Druck, der aus Washington auf Bagdad lastet.

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.

Zuerst veröffentlicht auf FAZ.net

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