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United Nations Human Rights Council – 34th Session, photo by UN Geneva via flickr.com, CC BY-NC-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

UN-Menschenrechtsrat: Kaum zurück, müssen sich die USA mit China und seinen Freunden auseinandersetzen

Der Menschenrechtsrat (HRC) feiert 2021 sein 15-jähriges Bestehen. Während das höchste Gremium der Vereinten Nationen für Menschenrechte diesen Monat zu seiner ersten ordentlichen Sitzung in diesem Jahr zusammenkommt, tauchen auch die bestehenden Zweifel an seiner Mitgliedschaft und seiner Effektivität als multilateraler Akteur zur Wahrung grundlegender Menschenrechte wieder auf. Einige der jüngsten Entwicklungen verdienen jedoch einen ernsthaften Blick auf das Reformpotenzial, das sie mit sich bringen.

Zum einen haben die Vereinigten Staaten angekündigt, sich ab sofort wieder als aktiver Beobachter in den Menschenrechtsrat einzubringen und sich im Herbst um einen Sitz zu bewerben. Die Regierung unter Trump hatte sich 2018 daraus zurückgezogen. Die Erfahrungen der Vergangenheit deuten darauf hin, dass dies helfen könnte, die überregionalen Koalitionen zu stärken, die nötigt sind, um akute Krisen anzugehen und längerfristige Reformen voranzutreiben. Auf der anderen Seite wird China immer geschickter darin, seine Muskeln spielen zu lassen, um etablierte Normen und Praktiken des Monitorings und Handelns zu untergraben. Und das Land bringt einen immer größeren Kreis von Satellitenstaaten mit.

Die Herausforderung der Mitgliedschaft

Nicht geändert hat sich, dass der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, der die Interessen einer Vielzahl von Ländern vertritt, ein hart umkämpftes Forum für die Gestaltung des internationalen Menschenrechtsregimes ist. Wer in dem Gremium sitzt und welchen Einfluss die jeweiligen Mitglieder auf seine Beratungen geltend machen können, bestimmt, ob und welche Art von gemeinsamen Maßnahmen ergriffen werden. Die Mitgliedswahlen selbst sind jedoch nicht so wettbewerbsorientiert, wie sie sein sollten. Sie führen zu Sitzen für Regierungen, deren Hauptziel es ist, jede sinnvolle Maßnahme zu blockieren. Warum werden bestimmte Staaten weiterhin in den HRC gewählt, obwohl ihre Menschenrechtsbilanz so weit von dem Standard entfernt liegt, den die UN-Generalversammlung (UNGA) für sich selbst festgelegt hat und sie keineswegs, wie gefordert, die höchsten Standards bei der Förderung und dem Schutz der Menschenrechte erfüllen?

Die Antwort liegt zum Teil in der dysfunktionalen Weise, in der Staaten in den Rat gewählt werden – durch Hinterzimmer Deals, geschlossene Listen und geheime Abstimmungen.  Der 47 Mitglieder umfassende HRC repräsentiert die allgemeine UN-Mitgliedschaft nach regionalen Blöcken: mit je 13 Sitzen für Afrika und Asien (einschließlich des Nahen Ostens), 8 für Lateinamerika und die Karibik, 7 für Westeuropa und „andere Staaten“ (USA, Kanada, Israel) und 6 für die osteuropäische Gruppe (einschließlich der Staaten der ehemaligen Sowjetunion). Jedes Jahr im Oktober bieten diese Blöcke entweder einen einheitlichen Wahlvorschlag für die Wahlen zum HRC oder einen konkurrierenden Wahlvorschlag an. Theoretisch bieten beide Optionen die Möglichkeit, einer unqualifizierten Regierung einen Sitz zu verweigern, entweder durch den Ausschluss eines schlecht abschneidenden Kandidaten im Falle einer konkurrierenden Liste oder durch die Verhinderung einer Stimmenmehrheit durch Stimmenthaltungen im Falle einer reinen Kandidatenliste. In der Praxis kam dies jedoch nur im ersteren Fall vor: Seit der Gründung des HRC im Jahr 2006 haben konkurrierende Kandidatenlisten bei mehreren Gelegenheiten zu Niederlagen für ungeeignete Staaten geführt, darunter Russland 2016, Irak 2019 und Saudi-Arabien 2020. Die Mitgliedschaftsregeln erlauben es auch, dass Staaten, die grobe und systemische Menschenrechtsverstöße begehen, durch eine Zweidrittelmehrheit in der UN-Generalversammlung aus dem Rat entfernt werden können. Dies ist bislang einmal geschehen (im Falle Libyens unter Muammar Gaddafi).

Würden die Staaten die Einhaltung der internationalen Menschenrechtsstandards ehrlich prüfen, sähe die Zusammensetzung des Rates wahrscheinlich ganz anders aus als heute. Zu den Staaten, die die objektive Schwelle der Achtung der Menschenrechte dramatisch unterschreiten, aber dennoch wiederholt in den Rat gewählt werden, gehören Kuba, Venezuela, China, Russland und Ägypten. Andere Ausreißer, die kürzlich gewählt wurden, sind Eritrea (das bereits unter besonderer Beobachtung des Menschenrechtsrates steht, weil es grobe und systematische Verstöße begangen hat), Burkina Faso, Libyen, Kamerun, Somalia, Bahrain, Usbekistan und Togo.

Regierungen, die für diese Staaten gestimmt haben, sollten die zahlreichen Beweise heranziehen, die deren Versagen beim Schutz der universellen Menschenrechte belegen, angefangen bei Berichten der eigenen unabhängigen Experten des HRC und von Menschenrechtsverteidigern vor Ort. Darüber hinaus zeigt ein Blick auf die Ergebnisse der Untersuchungen zu bürgerlichen und politischen Rechten, die für den Bertelsmann Transformation Index (BTI) und den Rechtsstaatlichkeitsindex des World Justice Project (WJP) durchgeführt werden, schnell, wie schlecht diese Staaten im regionalen und globalen Vergleich mit anderen Kandidaten abschneiden.

Venezuela beispielsweise erhielt im WJP Index die weltweit niedrigsten Werte für das Recht auf Leben und Sicherheit, auf ein faires Gerichtsverfahren, die Rechte von Angeklagten sowie das Recht auf Privatsphäre. China, das von BTI als Hard-line Autokratie eingestuft wird, schnitt in dessen Bewertungen besonders schlecht bei der Versammlungs- und Meinungsfreiheit ab. Costa Rica hingegen, das bei Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in seiner Region durchweg mit am besten abschneidet, verlor seine Bewerbung um einen Sitz im Jahr 2019 an Venezuela.

Die Herausforderung China

Trotz dieser Beispiele stellen Staaten, die auf den etablierten Menschenrechtsskalen besser abschneiden, anhaltend eine leichte Mehrheit der Mitglieder des Rates. Haben sie zusammengearbeitet, haben diese Staaten den HRC dazu bewegt, wichtige und positive Beiträge zur Bewältigung von Menschenrechtskrisen auf der ganzen Welt zu leisten. Leider sind jedoch einige dieser Länder in ihrer Außenpolitik in der veralteten Doktrin der Nicht-Einmischung verhaftet (z.B. Südafrika, Indien, Philippinen). Das liegt in der Regel in ihrer Abneigung gegen internationale Kritik an ihren zahlreichen Unzulänglichkeiten begründet. Viele dieser Staaten sind auch zunehmend dem Druck und Überzeugungswillen eines aufstrebenden Chinas ausgesetzt, das nicht nur selbstbewusster wird, wenn es darum geht, seine eigene innenpolitische Bilanz zu verteidigen, sondern auch in die Offensive geht, wenn es darum geht, die Normen und Praktiken der UN Kontrollmechanismen neu zu schreiben.

Beispiele aus den letzten Jahren unterstreichen diese beiden Punkte. Wird China von Regierungen, Menschenrechtsgruppen und den Medien für seine offenkundigen Menschenrechtsverletzungen gegen die Uiguren in Xinjiang oder, wie kürzlich, für sein hartes Durchgreifen in Hongkong kritisiert, unternehmen chinesische Diplomaten alles, um jede offizielle Resolution zu blockieren, die dieses Verhalten verurteilt. Im Juli 2020 zum Beispiel brachte China 53 Länder hinter sich, um sein hartes Eingreifen in Hongkong gegen friedliche Proteste zu verteidigen. Darunter waren 13 Staaten, die damals im HRC saßen. Dagegen unterzeichneten nur 27 Staaten eine Erklärung, die Pekings Vorgehen kritisierte. In einem ähnlichen Fall im Juli 2019, bei dem es um konkurrierende Stellungnahmen zu Chinas Masseninhaftierungspolitik in Xinjiang ging, gewann China die Unterstützung von 20 Staaten, die damals im Menschenrechtsrat saßen oder seitdem in das Gremium gewählt wurden.

Eine ähnliche Taktik verwendet China in seiner Kampagne mit dem Ziel, die Regeln umzuschreiben für die kritische Prüfung der Menschenrechtsbilanz von Staaten durch den Menschenrechtsrat. Unter dem Deckmantel der sogenannten „für beide Seiten vorteilhaften Zusammenarbeit“ sollen dabei „name and shame“-Resolutionen abgeschafft werden zugunsten eines „konstruktiven Dialogs“ mit Staaten, die Menschenrechte verletzen. Chinas durchschaubares Spiel, „internationale Menschenrechtsgesetze als eine Angelegenheit von Staat-zu-Staat-Beziehungen … ohne sinnvolle Rolle für die Zivilgesellschaft“ umzudefinieren, verlor im Jahr 2020 zwar einige frühere Unterstützer. Es gelang dem Land dennoch, die Unterstützung von 23 Staaten zu gewinnen, darunter Argentinien, Brasilien, Mexiko, Namibia und Uruguay.

Der Weg in die Zukunft

Trotz dieser besorgniserregenden Realitäten tut der Menschenrechtsrat insgesamt mehr Gutes als Schlechtes für die Sache der Menschenrechte in der Welt. Instrumente, wie der „Universal Periodic Review“, unabhängige Sonderberichterstatter und Untersuchungskommissionen sowie die Einberufung von Sondersitzungen zu akuten Krisen, wie in Syrien und Myanmar, liefern wichtige Erkenntnisse über Menschenrechtsverstöße vor Ort. Damit erzeugen sie politischen Druck, um Staaten zur Verantwortung zu ziehen und Reformen anzustoßen. Bereits aus diesen Gründen ist es richtig, dass die US-Regierung sich wieder im HRC engagiert. Und das umso mehr, als China und seine Freunde eine gefährliche Rolle dabei spielen, das Gremium zu schwächen.

Dabei wäre ratsam, dass Bidens Team sowohl in der UN-Generalversammlung als auch im US-Kongress aktiv um Unterstützung dafür wirbt, die Mängel des Rates zu beheben. So sollte es daraufhin wirken, die Regeln für die Wahlen zum Rat neu zu schreiben, z.B. durch die Forderung nach konkurrierenden Kandidatenlisten, transparenten Abstimmungen, höheren Abstimmungs-Quoren und ein jederzeitiges Recht auf Länderbesuche durch die unabhängigen Experten des Menschenrechtsrates. Die Vereinigten Staaten werden stark darauf drängen, den Makel eines ständigen Tagesordnungspunktes zu Israel im HRC zu beseitigen. Sie sollten auch mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie eine Überprüfung der US-Bilanz zu Themen wie Bürgerrechten und Polizeigewalt begrüßen und sich eng mit der Zivilgesellschaft abstimmen. Diese Schritte, kombiniert mit diplomatischem Engagement für den Aufbau von Pro-Menschenrechts-Koalitionen, würden helfen, Präsident Bidens „America is back“-Versprechen zu erfüllen. Sie würden außerdem dazu beitragen sicherzustellen, dass der Menschenrechtsrat nicht Opfer von Chinas Ziel eines schwachen und blockierten Menschenrechtssystems wird.

Dieser Beitrag wurde zweitveröffentlicht auf dem Blog Order from Chaos der Brookings Institution. 

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