Tansanias neue Präsidentin: Mangelndes Durchsetzungsvermögen oder falsche Versprechungen?
Vor sechs Monaten, am 19. März 2021, trat Samia Suluhu Hassan in Tansania die Nachfolge von Präsident Magufuli an, der unerwartet verstorben war. Während das Land zunächst auf eine klare politische Wende hoffte, befürchten viele nun einen Rückfall in Magufulis autoritäres Regime.
Samia Suluhu Hassan wurde nach der Bekanntgabe des plötzlichen Todes von John Magufuli am 17. März 2021 aus ihrem vorherigen Amt als Vizepräsidentin des Landes zur Präsidentin befördert. Nach offiziellen Angaben wurde sein Tod durch eine Herzerkrankung verursacht. Damit wurden Gerüchte zurückgewiesen, er sei an COVID-19 gestorben – einer Krankheit, deren Existenz er zuvor bestritten hatte.
Tansania erlebte unter Magufuli die Umsetzung großer Infrastrukturprojekte, aber auch erhebliche Einschränkungen von Freiheiten und Bürgerrechten. Der Gesamtwert der politischen Transformation in Tansania erreichte im BTI 2008 einen Höchststand von 6,85, sank danach deutlich ab und hat sich seitdem nicht mehr erholt. Die BTI-Länderberichte weisen auf verstärkte autokratische Tendenzen hin, seit Magufuli im Oktober 2015 Präsident wurde. Besonders problematisch sind dem aktuellsten Bericht zufolge „die Unterdrückung der politischen Opposition, der Vertreter der Zivilgesellschaft, der Medien und der einfachen Bürger“ durch die Regierung sowie der Umgang mit der COVID-19-Pandemie. Wahlbetrug und eine bewusste Aushöhlung der Gewaltenteilung durch den verstorbenen Präsidenten in den letzten Jahren haben diesen negativen Trend noch verstärkt.
Hassans Amtsantritt war von der Hoffnung auf einen Wandel begleitet, denn sie deutete an in mehreren Bereichen von Magufulis Kurs abweichen zu wollen. Ihre Herkunft aus dem teilautonomen Sansibar und die Tatsache, dass Sie nicht Magufulis engerem Kreis angehörte, weckten Erwartungen an einen demokratischeren Führungsstil.
Welche Rückschlüsse lassen ihre ersten sechs Monate im Amt darüber zu? Drei Entwicklungen sind hier besonders hervorzuheben.
Die Bewältigung der COVID-19-Pandemie
Samia Suluhu Hassan gelang es, einen wichtigen Wendepunkt im Umgang des Landes mit COVID-19 zu erreichen. Zuvor hatte Magufuli das Virus heruntergespielt. Er hatte die Meldung von Fallzahlen eingestellt und zu Gebeten und Dampfbädern statt zu Masken und Impfungen aufgerufen.
Anders als ihr Vorgänger nimmt Hassan die Pandemie ernst. Drei Wochen nach ihrem Amtsantritt kündigte sie an, eine nationale COVID-19-Taskforce einzurichten, um die Maßnahmen der Regierung im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu verstärken und die Kommunikation mit der Öffentlichkeit zu verbessern. Hassan warb für social distancing und das Tragen von Masken und forderte die Bürger auf, sich impfen zu lassen. Sie selbst erhielt ihre erste Impfung am 28. Juli 2021 und veröffentlichte im Juni 2021 die ersten Zahlen zum Coronavirus seit mehr als einem Jahr, die 100 Fälle seit Beginn der dritten Welle bestätigten.
Damit scheint Hassan mit der Politik ihres verstorbenen Vorgängers zu brechen und einen Kurswechsel im Hinblick auf Corona vorzunehmen.
Regionale und internationale Beziehungen
Präsidentin Hassan versprach nicht nur eine verstärkte Zusammenarbeit ihres Landes mit der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf COVID-19, sondern äußerte auch Pläne zur Verbesserung der internationalen und regionalen Beziehungen Tansanias im Allgemeinen. Zuvor hatte Magufuli sein Land auf internationaler Ebene isoliert. Laut BTI-Daten haben sich die tansanischen Bemühungen um internationale Zusammenarbeit bereits seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2006 kontinuierlich verschlechtert: von einem Wert von 8,7 im BTI 2006 auf 6,0 im BTI 2020.
Hassan ergriff mehrere Maßnahmen, um die Beziehungen zu den direkten Nachbarn und anderen afrikanischen Ländern zu stärken. Mit offiziellen Besuchen in Uganda, Kenia und Ruanda signalisierte sie ihre Absicht, die Beziehungen zu den Ländern zu verbessern, die zuvor unter Magufulis Führung angespannt gewesen waren. Hassan nahm auch an einem Gipfeltreffen der Southern African Development Community (SADC) in Mosambik teil, um zu zeigen, dass es ihr mit der Verbesserung der Beziehungen zu den SADC-Ländern im südlichen Afrika ernst ist.
Auch außerhalb der Region arbeitete Hassan daran, den internationalen Ruf Tansanias zu verbessern und die Außenpolitik des Landes zu überarbeiten. Zu Beginn ihrer Amtszeit ernannte sie die ehemalige Botschafterin in den USA, Liberata Mulamula, zur neuen Außenministerin, da sie davon ausging, dass ihre diplomatische Erfahrung den Dialog mit internationalen Partnern verbessern würde. Sie rief auch zu ausländischen Direktinvestitionen auf und forderte, dass die Besteuerung, Zuwanderungsregeln und Geschäftslizenzen für ausländische Investoren attraktiver gestaltet werden sollten. Um im Ausland für Tansania zu werben und potenzielle Investoren anzulocken, hat Hassan auch ein internationales Filmteam eingeladen, um eine Dokumentation über das Land zu drehen, die in den USA auf den Markt kommen und weltweit gezeigt werden soll.
Bislang lässt sich bei ihrer globalen Ausrichtung kein besonderer Schwerpunkt erkennen, da Hassan mit verschiedenen Staats- und Regierungschefs gesprochen hat. So führte sie beispielsweise ein Telefongespräch mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und vereinbarte, die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu stärken. Präsident Xi versprach, den chinesischen Markt für tansanische Produkte zu öffnen und die chinesischen Investitionen in den tansanischen Industriesektor zu erhöhen. Darüber hinaus hatte Hassan eine Videokonferenz mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, um über die COVID-19-Pandemie zu sprechen und die bestehenden Beziehungen zu festigen. Sie telefonierte auch mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, um die bilaterale Zusammenarbeit, regionalpolitische Fragen und die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Afrika zu thematisieren.
Ihr bisheriges Engagement deutet auf eine deutliche Abkehr von Magufulis isolationsfokussierten Strategie hin und lässt auf eine stärkere Außenorientierung auch in Zukunft hoffen.
Inklusive Politik
Hassan strebt nicht nur in der internationalen Ausrichtung einen Wandel an, sondern auch im eigenen Land. Die Aufhebung der Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit zu Beginn ihrer Amtszeit kann als Beginn eines Wendepunkts verstanden werden. Während Magufulis autoritäres Regime kritische Medien verbot und die Berichterstattung über sensible Regierungsinformationen zensierte, beruhigte sich die politische Lage etwas, als Hassan die Medienverbote aufhob, politische Gefangene freiließ und ihren Wunsch äußerte, auf die Opposition zuzugehen und mit ihr zu sprechen. Ein bedeutender politischer Schritt war die Ernennung von Loyalisten der Regierungspartei Chama Cha Mapinduzi (CCM) und einiger neuer Personen, darunter ehemalige Oppositionsmitglieder, zu Distriktkommissaren, um die Einheit des Landes zu stärken.
Die jüngsten Entwicklungen lassen jedoch Zweifel an ihren ursprünglichen Versprechen aufkommen. Präsidentin Hassan hat in weniger als einem Monat zwei Zeitungen suspendiert, die sie der Falschmeldung beschuldigte. Zum einen wurde die Zeitung Uhuru, die der Regierungspartei gehört, für 14 Tage suspendiert, weil sie behauptet hatte, Hassan werde 2025 nicht für das Präsidentenamt kandidieren. Zum anderen wurde Raia Mwema, eine führende Wochenzeitung in Suaheli, für 30 Tage suspendiert, nachdem sie einen Amokschützen, der in Daressalam vier Menschen getötet hatte, mit der regierenden CCM-Partei in Verbindung gebracht hatte.
Auch die Verhaftung des prominenten Oppositionsführers Freeman Mbowe wegen Terrorismusvorwürfen im Juli 2021 weckt Erinnerungen an die Methoden Magufulis. Mbowe behauptete, seine verfassungsmäßigen Rechte seien bei seiner Verhaftung verletzt worden, und erklärte, die erhobenen Anschuldigungen seien politisch motiviert mit dem Ziel, abweichende Meinungen zu unterdrücken. Dies verstärkt die Sorge, dass Hassan eine Geisel des Systems ist und sich nicht von den Praktiken ihres Vorgängers lösen kann.
Dabei ist jedoch zu bedenken, dass Samia Suluhu Hassan immer noch von der regierenden CCM-Partei eingeschränkt wird, die im Wesentlichen dieselbe Partei ist wie unter Präsident Magufuli, was ihr wenig Handlungsspielraum lässt. Die Einleitung eines Prüfverfahrens gegen die CCM-Parteizeitung könnte auch ein Zeichen ihrer persönlichen Stärke sein. Die Opposition ist sich nicht einig, ob die regressiven Kräfte des Establishments und der CCM Hassan daran hindern, demokratische Reformen durchzuführen, oder ob sie bereitwillig dort weitermacht, wo die Ära Magufuli endete. Der Fall Mbowe wird also ein Test dafür sein, ob Präsident Hassan mit dem autoritären Regierungsstil Magufulis brechen wird oder nicht.
Bilanz von Hassans ersten Monaten im Amt
Die anfänglichen Hoffnungen auf einen politischen Richtungswechsel in Tansania wurden durch Hassans Kurswechsel bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und ihren veränderten Ansatz in den regionalen und internationalen Beziehungen bestätigt. Ihre anfänglichen Versuche, die Meinungs- und Pressefreiheit zu fördern, wurden jedoch in Frage gestellt, als sie Zeitungen vorübergehend verbot und der Oppositionsführer Mbowe verhaftet wurde. Auch wenn sie die aufrichtige Absicht hat, die politische Situation in Tansania zu verbessern, muss sie sich stärker gegen das System und die Regierungspartei positionieren.