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Some days after his election, President Petr Pavel visits Poland. Photo: Senat RP via flickr.com, BY-NC-ND 2.0, https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/2.0/

Mitteleuropa: Die Tschechische Republik entfernt sich von populistischen Strömung – zumindest vorerst

Am 9. März wurde der neue tschechische Präsident Petr Pavel, ein pensionierter Armeegeneral, in sein Amt eingeführt. Bei den Wahlen im Januar hatte er sich gegen den Populisten Andrej Babiš durchgesetzt. Wird sich die Tschechische Republik gegen populistische Trends in anderen mitteleuropäischen Ländern, wie Polen, der Slowakei und Ungarn, behaupten können?

Zweimal wurde in jüngster Vergangenheit in der Tschechischen Republik der Aufstieg von Populisten an die Macht verhindert. Zunächst im Herbst 2021, als die populistischen und extremistischen Kräfte bei den Parlamentswahlen besiegt wurden und sich die derzeitige Mitte-Rechts-Regierung bildete. Eine weitere Niederlage erlitten sie dann auch bei den Präsidentschaftswahlen, die Pavel für sich entscheiden konnte. Die derzeitige Regierung setzt sich aus fünf Parteien zusammen, die zusammen über eine stabile Mehrheit in der Abgeordnetenkammer verfügen, auch wenn sie insgesamt sehr unterschiedlich sind.

Die tschechische Regierung hat jüngst auch die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union gut gemeistert. Ansehen im In- und Ausland brachten ihr die Bemühungen ein, die Energieknappheit und den dramatischen Anstieg der Preise in den Griff zu bekommen, die Verteidigung der Ukraine zu unterstützen und im Rat eine Einigung über das Vorgehen gegen Ungarn wegen Verletzung der Rechtsstaatlichkeit zu erzielen. Auch die EU-Gesetzgebung hat sie während ihrer sechsmonatigen Präsidentschaft vorangetrieben, insbesondere im Klimabereich, wo beispielsweise eine schwierige Einigung über die Einigung über die Revision des EU-Emissionshandelssystems erzielt werden konnte.

Und dennoch ist in der Tschechischen Republik nicht alles nur rosig.

Auch wenn sich der Populismus bei der letzten Wahl nicht durchsetzen konnte, findet er im Vergleich zu früheren Wahlen inzwischen deutlich mehr Unterstützung. Der milliardenschwere Ex-Ministerpräsident Andrej Babiš hat einen Präsidentschaftswahlkampf geführt, der populistischer und verlogener war als alle seine bisherigen Auftritte. Von den insgesamt 5,7 Millionen Stimmen hat er im zweiten Wahlgang ganze 2,4 Millionen erhalten.

Viele Menschen im Land machen sich Sorgen über die wirtschaftliche Lage und die finanzielle Entwicklung. Die hohe Inflation (im Januar 2023 lag sie bei 17,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) ist eine Realität, die Haushalte mit niedrigem Einkommen unverhältnismäßig stark trifft und das Potenzial hat, soziale Unzufriedenheit zu schüren. Soziologische Untersuchungen zeigen, dass die tschechische Gesellschaft mit Sorge, Unsicherheit, Angst und Ermüdung in die Zukunft blickt.

Die soziale Schere öffnet sich weiter, regionale Unterschiede bleiben bestehen

Obendrein plant die Regierung, die in ihrem Programm versprochenen Steuer- und Rentenreformen jetzt in Angriff zu nehmen. Ihre Umsetzung verzögerte sich durch den Beginn des Krieges in der Ukraine und die EU-Ratspräsidentschaft, die bis Ende Dezember lief. Doch jetzt kann die Regierung unter der Führung des liberalkonservativen Ministerpräsidenten Petr Fiala, dem diese Anliegen wichtig sind, die Reformen nicht mehr länger aufschieben.

Der Länderbericht 2022 des Bertelsmann Transformation Index (BTI) für die Tschechische Republik legt dar, dass die 2020 eingeführten Steuersenkungen verheerende Auswirkungen auf die Gesundheit der tschechischen Staatsfinanzen haben. Die Experten warnen, diese Maßnahmen könnten „das Land in eine Schuldenfalle führen. Die Zentralregierung und die Regionalregierungen werden erhebliche Einnahmeverluste erleiden, so dass ihnen Mittel fehlen.“ Darüber hinaus wird die Steuerreform auch die notwendigen Investitionen in das Bildungs- und Gesundheitswesen gefährden, beides Sektoren mit eklatanten regionalen Unterschieden. Diese Steuersenkungen wurden jedoch von der damaligen Regierungspartei ANO in Zusammenarbeit mit der Demokratischen Bürgerpartei von Ministerpräsident Fiala – der heutigen Regierungspartei, die damals Oppositionspartei war – durchgesetzt. Eine Aufhebung dieser Politik ist deshalb politisch kaum denkbar.

Von dieser Steueranpassung haben vor allem Menschen mit höherem Einkommen profitiert. Zudem wählen Menschen mit niedrigem Einkommen in der Regel nicht die Parteien der aktuellen Koalition. Generell nimmt die soziale Ungleichheit in der Tschechischen Republik zu, wie auch die Kluft zwischen entwickelten und unterentwickelten Regionen sowohl bei der Wirtschaftsleistung als auch bei der Qualität der öffentlichen Dienstleistungen zunimmt. Diese Situation kann dazu führen, dass die Bürger unzufriedener werden und in der Folge mit extremen Populisten sympathisieren. Denn wenn die Menschen davon überzeugt sind, dass das derzeitige System ungerecht ist, werden sie vermutlich eher bereit sein für radikale Antworten, und grundlegende Veränderungen fordern.

Kann die Regierung ihr Ansehen wahren?

Seit den Parlamentswahlen sind erst 15 Monate vergangen. Angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds und der anstehenden Reformen werden die kommenden Monate zeigen, ob die Regierung ihre Popularität bewahren, die versprochene Politik umsetzen und ihren derzeitigen Zusammenhalt beibehalten kann.

Auf internationaler Ebene könnte sich die solide Politik des Landes jedoch fortsetzen. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger wird der neue Präsident Pavel ein energischer und zugleich kooperativer außenpolitischer Akteur sein, der ein echtes Interesse an den transatlantischen Beziehungen, der europäischen Agenda, der Unterstützung der Ukraine und der Auseinandersetzung mit autokratischen Regimen hat.

Damit könnte die Tschechische Republik in Mitteleuropa zu einem bevorzugten Partner werden. In der Region stehen jedoch zwei Wahlen an, die die Lage schnell ändern können. Zum einen führte die politische Dauerkrise in der Slowakei zu vorgezogenen Neuwahlen. Deren Ausgang ist höchst ungewiss und die steigende Beliebtheit des prorussischen ehemaligen Ministerpräsidenten Róbert Fico gibt zu Recht Anlass zur Sorge. Zum anderen werden die polnischen Parlamentswahlen im Herbst zeigen, ob Jarosław Kaczyński weiterregieren wird oder ob seine Partei Recht und Gerechtigkeit eine Niederlage erleidet. Sollten sowohl Fico als auch Kaczyński gewinnen, erschwert das die Situation in Mitteleuropa und die tschechische Regierung wird sich zunehmend dem Druck der benachbarten Populisten ausgesetzt sehen.

Viele Beobachter im In- und Ausland betrachten die jüngsten politischen Entwicklungen in der Tschechischen Republik als ermutigend, doch in einem Jahr könnte schon wieder alles ganz anders aussehen. Die Tschechische Republik könnte von Koalitionsstreitigkeiten geplagt sein, während sich die Menschen in Polen und der Slowakei doch für einen nicht-populistischen Wandel entscheiden. Angesichts der anhaltenden Ungleichheit könnte zudem die Unzufriedenheit in der tschechischen Gesellschaft noch weiter anwachsen und den Nährboden für Populismus bereiten.

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.

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