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The 2021 protests in Myanmar. Foto: Maung Sun, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Militärjunta in Myanmar: Leere Gesten sind die Antwort auf die Revolution

Im sich ausweitenden Bürgerkrieg verliert die Militärjunta in weiten Teilen von Myanmar die Kontrolle und versucht nun, sich mit Symbolpolitik zu legitimieren – die für August geplante Wahl wurde verschoben.

Myanmar’s Militärjunta hat kürzlich eine Teilamnestie für die entmachtete ehemalige Regierungschefin und Nobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und den ehemaligen Präsidenten Win Myint ausgesprochen. Im Rahmen einer Massenbegnadigung von mehr als 7.000 Inhaftierten aus Anlass eines buddhistischen Feiertages wurden die Haftstrafen der ehemaligen Regierungschefin von 33 Jahren auf 27 Jahre reduziert. Der frühere Präsident Win Myint bekam 4 Jahre seiner 12-jährigen Haftstrafe erlassen. Kurz zuvor hatten Meldungen die Runde gemacht, dass Aung San Suu Kyi vom Gefängnis in den Hausarrest in der Hauptstadt Naypyitaw überstellt worden sei. Diese Gesten sind jedoch keine Anzeichen für einen Politikwechsel des Militärregimes oder den Beginn einer Aussöhnung, sondern vielmehr eine Zuflucht in Symbolpolitik angesichts fehlender innenpolitischer Unterstützung und weitreichender außenpolitischer Isolierung.

Nachdem das Militär im Februar 2021 geputscht hatte, sah sich die friedliche Widerstandsbewegung massiven Repressionen ausgesetzt, die dazu führten, dass sich der Widerstand im Lande radikalisierte. Gegen die Streitkräfte von Myanmar, genannt Tatmandaw oder Sit Tat, kämpfen neben der Exilregierung National Unity Government, die sich aus einer Gruppe entmachteter ehemaliger Parlamentarier (Committee Representing Pyidaungsu Hluttaw, CRPH) zusammensetzt und einen bewaffneten Flügel (People’s Defense Forces, PDF) von rund 65.000 Kämpfern koordiniert, eine Vielzahl ethnischer Armeen.

Militär verliert zunehmend die Kontrolle

Längst ist von einer Revolution die Rede, die einen Neuanfang ohne das dominierende burmesische Militär zu erreichen sucht. Das seit mehr als 60 Jahren direkt oder indirekt herrschende Militär hat die Kontrolle über weite Teile des Landes inzwischen verloren. Der jüngste BTI-Länderbericht Myanmar 2022 stellt fest: „Große Teile im Westen (den Staaten der Rakhine und Chin) und im Nordosten (Kachin, Shan) sind umkämpftes Terrain. Etwa 15 größere und mehrere Dutzend kleinere bewaffnete ethnische Organisationen kämpfen für Autonomie oder Abspaltung von der Union.“

Nach Berichten ausländischer Experten ist dem Militär die Herrschaft in mehr als der Hälfte der 330 myanmarischen Distrikte abhandengekommen. Mittlerweile kontrolliert es nur noch die größeren Städte im buddhistischen Kernland, während der Bürgerkrieg im Nordwesten, (in den Gebieten der Ethnien Rakhine und Chin) genauso wieder aufgeflammt ist wie im Nordosten (Kachin) und Osten (Karen).

Zu der schwierigen Lage für die Militärjunta passt, dass am 31. Juli 2023 der Ausnahmezustand – gegen die Vorgaben der Verfassung – ein viertes Mal für sechs Monate verlängert worden ist und die eigentlich für 2023 geplanten Wahlen, die der Junta Legitimität hätten verleihen sollen, abgesagt wurden.

Seit der Rückkehr zur direkten Militärherrschaft 2021 sind viele der politischen, ökonomischen und sozialen Fortschritte, die seit 2012 erzielt wurden, wieder umgekehrt worden. Die zahlreichen Probleme des Landes haben sich verschärft und längst ist von einer humanitären Krise die Rede. Tausende Tote und mehr als 1,5 Millionen Binnenvertriebene sind die Bilanz des neuerlichen Bürgerkriegs. Hinzu kommen massive Repressionen. Laut der myanmarischen Menschenrechtsorganisation Association of Political Prisoners wurden seit dem Putsch mehr als 24.000 Menschen aus politischen Gründen festgenommen. Davon sind Ende Juli 2023 noch 19.733 inhaftiert. 3.857 Personen wurden vom Militär getötet.

Legitimationsversuche und leere Gesten

Das Militär versucht, sich über den Buddhismus zu legitimieren. In den Staatsmedien werden die Tatmadaw als Schutzmacht des Theravada Buddhismus dargestellt. Eine Analyse des US Institute for Peace kommt zu dem Schluss, dass sich Militärchef Min Aung Hlaing in der Tradition burmesischer Gottkönige sieht und als Patron des Buddhismus auftritt. Dazu passt, dass die Militärregierung jüngst in Naypidaw eine mit 19 Metern weltweit größte Buddha-Statue enthüllt hat.

Die Teilamnestien von Aung San Suu Kyi und dem früheren Präsidenten Win Myint sollen das „Wohlwollen“ des Militärs zeigen. Sie bleiben jedoch nur leere Gesten ohne realpolitische Konsequenzen. Die Überführung von Aung San Suu Kyi in den Hausarrest könnte vor allem ein Signal an das Ausland sein, denn Myanmar ist international weitgehend isoliert.

Der Westen hat gegen die Militärs und dem Militär zugerechnete Unternehmen Sanktionen verhängt. Der Verband Südostasiatischer Nationen, kurz ASEAN, hat seine Kooperation mit Myanmar weitgehend eingestellt und die Junta aufgefordert, einen Dialog mit der Widerstandsbewegung und den ethnischen Gruppen einzuleiten – bislang ohne Erfolg.

China sieht seine Geschäftsinteressen bedroht

Die Junta wird vor allem von China, Indien und Russland unterstützt. Während Russland Kampfjets liefert, die gegen die spärlich ausgerüsteten Kämpfer der PDF vorgehen sollen und hohe Verluste bei der Zivilbevölkerung verursachen, haben China und Indien weitreichende wirtschaftliche Interessen in Myanmar, die durch den eskalierenden Bürgerkrieg in Gefahr geraten.

Seit dem Putsch hat China mehr als 113 Millionen US-Dollar in Projekte in Myanmar investiert. Der sogenannte China-Myanmar Wirtschaftskorridor soll beide Länder stärker verbinden. China hat deshalb großes Interesse an einer Beilegung der Kämpfe und wirtschaftlicher Stabilität. Im Februar 2023 richtete die PDF einen Angriff auf die 770 km lange chinesische Ölpipeline, die vom Rakhine Staat bis nach Yunnan in China reicht. China ernannte daraufhin einen Sonderbeauftragten, der mit den ethnischen Gruppen in der Grenzregion über den Bürgerkrieg verhandelte. Chinesische Vertreter haben auch mit den früheren Staatschefs Than Shwe und Thein Sein gesprochen, um nach einem Ausweg zu suchen.

Auch der diplomatische Austausch mit Suu Kyi, der Vorsitzenden der NLD, scheint nach ihrer Verlegung in den Hausarrest wieder in den Bereich des Möglichen zu rücken. Erst letzte Woche berichtete der thailändische Außenminister Don Pramudwinai, er habe sich mit Suu Kyi getroffen, um über ihre Haltung zum Bürgerkrieg zu diskutieren. Dieser erste bestätigte Zugang eines ausländischen Diplomaten zur Nobelpreisträgerin wurde von der Militärregierung propagandistisch genutzt mit dem Ziel, den Widerstand zu diskreditieren.

Ohne eine genuine Wandlungsbereitschaft des Militärs wird sich jedoch in Myanmar nichts ändern und der Bürgerkrieg zwischen den Konfliktparteien wird weiter anhalten. Die vielen Kämpfer der PDF und ethnischen Armeen müssten schon die Hauptstadt einnehmen oder sich zusammenschließen, um den Bürgerkrieg für sich zu entscheiden. Davon sind sie aber genauso weit entfernt wie das burmesische Militär.

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