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Taking his Leave: Sitting President Pierre Nkurunziza, here at Mogadishu Airport (2014). AU UN IST Photo / Ilyas A. Abukar via flickr.com. Public Domain, https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/

Burundi, ein Land vor dem Führungswechsel

Nachdem der derzeitige Präsident Pierre Nkurunziza nicht mehr für eine weitere Amtszeit kandidieren will, schaut die Welt voller Spannung auf die kommenden Wahlen in Burundi. Wie kann es dem neuen Staatsoberhaupt gelingen, die wechselhafte Erfolgsbilanz des Landes zu verbessern?

Am 20. Mai finden in Burundi Präsidentschafts-, Parlaments- und Kommunalwahlen statt. Die letzten Wahlen im Jahr 2015 haben das Land nah an den Abgrund geführt. Vor allem in der Hauptstadt Bujumbura kam es zu Straßenunruhen, nachdem die Regierungspartei Conseil national pour la défense de la démocratie – Forces de défense de la démocratie (CNDD-FDD) Präsident Pierre Nkurunziza für eine dritte, von vielen als verfassungswidrig angesehene Amtszeit vorgeschlagen hatte. Ein Militärputsch wurde knapp verhindert, rund tausend Menschen von der Polizei getötet und Hunderttausende flohen aus dem Land. Es kam zur Spaltung der CNDD-FDD, auch einige ihrer kompetentesten Entscheidungsträger flohen ins Ausland. Oppositionspolitiker, Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft gingen ebenfalls ins Exil. Internationale Beobachter äußerten die Befürchtung, dass ein Völkermord bevorstehe. Die Geberländer verhängten daraufhin Sanktionen, die das Regime in die Knie zwingen sollten. Rebelleneinheiten, unterstützt vom benachbarten Ruanda, machten sich auf, das Regime zu stürzen.

Doch dazu kam es nicht. Die Wahlen fanden statt und Nkurunziza wurde mit großer Mehrheit wiedergewählt. Alle Institutionen blieben bestehen und erfüllten mehr oder weniger weiter ihre Funktion. Auch wenn es zu Gewalt kam, wurde daraus nicht auch nur annäherungsweise ein Völkermord. Das Regime tat alles, um „Normalität“ vorzuspielen: Es regierte nach der Spaltung der Gesellschaft weiter wie bisher und ignorierte den internationalen Druck. Weder die politische noch die bewaffnete Opposition im Ausland konnten das Überleben des Regimes ernsthaft gefährden. Auch eine Wirtschaftskrise, die teilweise, aber nicht ausschließlich auf die Sanktionen zurückzuführen ist, überstand das Regime.

Wichtige Entwicklungen, die bereits im Vorfeld der Wahlen 2019 und Anfang 2020 stattfanden, führten zu mehr politischer Chancengleichheit. Allen voran die Gewissheit, dass Nkurunziza tatsächlich nicht für eine weitere Präsidentschaft kandidieren würde. Seine wiederholten Ankündigungen, sich an die Verfassung halten zu wollen und nach seiner derzeitigen (in seinen Augen seiner zweiten) Amtszeit keine weitere anzustreben, waren in der Vergangenheit, auch aufgrund von Erfahrungen aus anderen Teilen Afrikas, auf erhebliche Skepsis gestoßen. Er hielt jedoch sein Wort und am 26. Januar wurde stattdessen Evariste Ndayishimiye zum Präsidentschaftskandidaten der Regierungspartei bestimmt. Knapp eine Woche zuvor hatte das Parlament Nkurunziza den Titel „Oberster Führer des Patriotismus“ verliehen und ihm eine „Abfindung“ von rund 500.000 Euro und eine „standesgemäße Villa“ zugestanden.

Weitere Präsidentschaftskandidaten

Es gab noch weitere wichtige Ereignisse im Vorfeld der Wahlen. Die bedeutendste oppositionelle Partei Congrès national pour la liberté (CNL) unter der Leitung des stellvertretenden Sprechers der Nationalversammlung Agathon Rwasa wurde zur Wahl zugelassen. Rwasa ist einer von sechs Präsidentschaftskandidaten, deren Kandidaturen von der Wahlkommission CENI genehmigt wurden (ein siebter Kandidat wurde vom Verfassungsgericht hinzugefügt) und sicherlich der schärfste Konkurrent für den CNDD-FDD-Kandidaten. Erfahrungen in anderen Teilen Afrikas haben gezeigt, dass Wahlen tendenziell offener sind, wenn der Amtsinhaber selbst nicht zur Wahl steht. Die Oppositionspartei im Exil, Conseil national pour le respect de l’Accord d’Arusha pour la paix et la réconciliation au Burundi (CNARED), spaltete sich nach vorherigen internen Meinungsverschiedenheiten und Überläufen offiziell Ende Dezember 2019, wobei die eine Seite erwägt, nach Hause zurückzukehren und an den Wahlen teilzunehmen, während die andere keine Kompromisse eingehen will. Keine der beiden Fraktionen dürfte besonderes politisches Gewicht haben.

Mangelnde internationale Kooperation

Sowohl die internationale Gemeinschaft, allen voran die EU, als auch die regionalen Mächte haben das Interesse an der politischen Entwicklung Burundis verloren und ihre Einflussnahme gelockert. Zurückzuführen ist dies zum Teil auf eine gewisse Müdigkeit angesichts der Widerstandsfähigkeit des Regimes gegenüber auswärtigem Druck sowie angesichts einer Opposition, die nicht in der Lage ist, eine Alternative zu bieten. Die Tendenz, die Beziehungen zu normalisieren, wird noch durch die Tatsache verstärkt, dass der Hauptgrund für die Sanktionen, nämlich Nkurunzizas Festhalten an einer Kandidatur 2015 und die daraus resultierende Gewalt, inzwischen der Vergangenheit angehört.

Der Länderbericht Burundi des Bertelsmann Transformation Index (BTI) 2020, der demnächst erscheinen wird, zeigt, wie stark die Bereitschaft Burundis, international zu kooperieren, abgesunken ist. Bei der Bewertung der Frage, in welchem Ausmaß die politische Führung auf regionaler Ebene Kooperation sucht und mit Nachbarstaaten zusammenarbeitet, sank der Wert Burundis von 7 von 10 möglichen Punkten im Jahr 2008-2018 auf nur noch 3 Punkte 2020. Auch die Bewertung der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit der Regierung als internationaler Partner bleibt mit 3 von 10 möglichen Punkten niedrig.

Nach der Wahl ist vor der Wahl

Anlass zur Sorge gibt weiterhin die Menschenrechtssituation. Zu den groben Verstößen zählen Attentate sowie das Verschwindenlassen und willkürliche Inhaftierungen von politischen Gegnern, insbesondere von Anhängern der CNL, Journalisten und Menschenrechtsverteidigern. Im Februar stieg die Angst vor einem weiteren Durchgreifen der Regierung, als der Innenminister von internationalen NGOs eine Liste ihrer lokalen Mitarbeiter samt ihrer ethnischen Identität anforderte.

Ein weiteres zentrales Thema bleiben die feindlichen Beziehungen Burundis zu seinem nördlichen Nachbarn Ruanda. Beide Länder werfen sich seit einigen Jahren gegenseitig vor, subversive Gruppierungen zu unterstützen. In den letzten Jahren ereigneten sich mehrere Vorfälle an oder in der Nähe der gemeinsamen Grenze, der bedeutendste davon im November 2019, als ein burundischer Armeeposten angegriffen und mindestens 17 Militärs getötet und Dutzende verletzt wurden. Die burundische Regierung beschuldigte offiziell die ruandische Armee, den Angriff verübt zu haben, was die ruandische Seite bestritt. Im Dezember begann der Expanded Joint Verification Mechanism der Internationalen Konferenz der Region der Großen Seen eine Untersuchung des Vorfalls, doch bis heute wurde noch kein Bericht veröffentlicht.

Wahrscheinlich wird es in Burundi auch nach den Wahlen in etwa weitergehen wie gehabt. Es ist so viel Normalität eingekehrt, dass die Mai-Wahlen aller Voraussicht nach ordnungsgemäß stattfinden und mehr oder weniger funktionierende Institutionen hervorbringen werden. Sowohl die politische als auch die technokratisch-bürokratische Regierungsführung sind mangelhaft und es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sie sich erheblich verbessern werden. An diesem Szenario könnte sich höchstens etwas ändern, wenn der neue Präsident, höchstwahrscheinlich Evariste Ndayishimiye, sich vorsichtig von der Politik seines Vorgängers löst. Dazu muss er seine Position innerhalb der Regierungspartei stärken – und er braucht Unterstützung von nationalen wie externen Akteuren.

Übersetzt aus dem Englischen von Karola Klatt.

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